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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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wir wieder hier. Drums, mein Bass und ein Trompeter. Also, wenn du noch nichts vorhast … Einen wie dich könnten wir gut dabei gebrauchen.«
    »Wir sollen eine Musique zusammen geben?« Wolfgang deutete eine Verbeugung an. »Von Herzen gern, das soll mir ein rechtes Vergnügen werden. Ich werde gewiss zur Stelle sein. Zu welcher Stunde hab ich mich einzufinden?«
    »Neunzehn Uhr wäre prima. Hier, ich schreib dir meine Nummer auf, für alle Fälle.«
    »Neunzehn Uhr?« Wolfgang legte die Stirn in Falten, griff nach dem dargebotenen Papier. »Meine Uhr zeigt indes nur zwölf Stunden …«
    »Ha, das ist gut!« Adrian lachte und schlug Wolfgang auf die Schulter. »So geht’s mir auch ständig. Servus also, bis Freitag.«
    Wolfgang hob die Hand zum Gruß, führte sie bedächtig weiter zu seinem Bierglas, trank und wischte sich den Schaum von der Lippe. Vage erinnerte er sich der Verwirrung, die es seinerzeit bei den Welschen gegeben hatte. Etliche Verabredungen hatten sie versäumt, der Papa und er, weil man die Uhren dort nach einer Weise gebrauchte, an die sich nur schwer zu gewöhnen war. Offenbar war es in dieser neuen Welt nicht anders. Wolfgang kam sich vor wie bei einem Gang übers Eis; er fand keinen festen Tritt, schlingerte, dass es wie ein grotesker Tanz aussehen musste, stets in der Angst, die dünne Schicht könne schon beim nächsten Schritt bersten und ihn der Tiefe preisgeben. Wenn doch nur Piotr bald wiederkäme und ihn heil ans andere Ufer führte.
     
    Es war beinahe Mittag, als Wolfgang endlich aufstand und in feuchtkalten Schuhen ins Kaffeehaus aufbrach. Fröstelnd eilte er durch die Gassen und ließ den Blick über dieAuslagen der Geschäfte schweifen. Abrupt blieb er stehen. In einem Schaufenster erhob sich ein gigantischer weihnachtsglitzernder Violinschlüssel. Wolfgang presste die Nase gegen die Scheibe, sah Geigen, Bratschen und Violoncelli, wie Weihnachtsengel schwebten Glocken, Pauken und Trompeten über aller Herrlichkeit.
    Liebermann & Sohn
prangte in Goldlettern auf der hohen rahmenlosen Glastüre. Ohne zu zögern, trat Wolfgang ein. Der übergroße taubenblaue Teppich, der wie schweres Segeltuch unter seinen Füßen lag, dämpfte nur schwach das Knarren der Dielen. Es roch nach Holz und altem Papier. Sanft strich er über die spiegelblanke Politur eines Flügels, schlug ein paar Akkorde an. Ein phantastisches Timbre, kraftvoll, klar, umfassend und dennoch weich. Was für ein göttliches Instrument! Es gibt doch ein Paradies, dachte er, als er sich auf die gepolsterte Bank sinken ließ und über die Tasten strich. Eine Woge von Zufriedenheit durchströmte ihn, lief durch seine Hände und tönte in den Raum hinaus.
    »Gefällt Ihnen der Bösendorfer?«
    Gefallen! Welch unzureichender Ausdruck. Er war phantastisch, himmlisch, wunderbar! Zur Antwort hämmerte Wolfgang ein paar wilde Staccati, sah dann den hoch aufgeschossenen Verkäufer feixend an.
J. Liebermann jun.
stand auf einem kleinen goldenen Schild an dessen Revers. »Habt Ihr nichts Ordentlicheres?«
    Indigniert straffte J. Liebermann jun. den Rücken und forderte Wolfgang auf, ihm tiefer in den Verkaufsraum zu folgen. »Ich könnte Ihnen noch einen sehr schönen Steinway zeigen, der hat allerdings auch seinen Preis.«
    »Wie viel?«
    »Vierzigtausend«, antwortete der Verkäufer und sah auf Wolfgangs dreckverkrustete Schuhe.
    »Uiuiui, bald vierzehntausendzweihundertundneunzig Würschtl! Da will einer lang von satt werden.«
    »Der Bösendorfer käme auf achtundzwanzig«, gab der Verkäufer zurück und ließ Wolfgang in seine Nasenlöcher schauen.
    »Aber das sind ganz akkurat zehntausend!« Wolfgang strahlte.
    »Ganz sicher nicht, wir haben Festpreise.«
    »Würschtel, akkurat zehntausend Würschtel.« Zärtlich strich Wolfgang über den Notenhalter. »Trotz alledem: zu viel!«
    »Wie viel wollten Sie denn anlegen?« Der Verkäufer klang, als lese er während des Gesprächs die Zeitung.
    »Anjetzo hatte ich nichts Übriges im Sinn, denn ein wenig zu spielen. Überdas, so mag der liebe Herr Mann, ehm, sich zu versichern, ist hier – potz Himmel schwere Not – nix drin!« Wolfgang griff in seine Hosenbeutel und zog beiderseits das Futter heraus. Zerknülltes Papier, eine U-Bahn-Karte und zwei verkrümelte Gummibären, ein weißer und ein grüner, fielen heraus. Wolfgang raffte alles zusammen, klopfte sich die Finger an der Hose ab und ließ sich auf dem Schemel nieder, setzte einmal quer über die Tastatur. Das war gewiss ein

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