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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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und schob es zwischen die Papiere zurück. »Zudem, lieber Freund, hatte ich unlängst die große Freude, einen sehr galanten Herrn anzutreffen. Er ist Musikalienhändler und fürwahr ein rechter Kenner der Musique und ein wahrer Freund, was die Ursache ist, dass ich gleich zwei Scolarinnen von seiner Empfehlung habe.« Wolfgang musterte Piotr vorsichtig aus den Augenwinkeln. »So hat er mich versichert, der liebe Herr Liebermann, und gewiss im Sinn, mir noch mit abermaliger Fürsprache unter die Arme zu greifen.«
    »Klavierstunde, hm. Musst du finden andere Arbeit, Wolfgang, ist Schande sonst. Bist du beste Klavierspieler, was ich kenne« – wieder schüttelte Piotr den Kopf, diesmal recht missmutig –, »aber gut, ist Anfang, wenigstens, bis du hast gefangen Kanarienvogel.«
    Piotr bestand darauf, dass Wolfgang ihn zu jenem verschmähten Spatzenwirt begleitete und als Ursache für sein Fehlen dort eine Krankheit angab. Sie machten die Runde durch alle Lokale, in denen Piotr bisher Engagements gehabt hatte, dennoch waren sie anschließend auf die kommenden Wochen längst nicht mehr an allen Tagen ausgebucht. Obendrein teilte Piotr, zu Wolfgangs großer Enttäuschung, seine Begeisterung für den neu erworbenen Anzug nicht.
    »Hab ich dir gesagt. Nach Weihnachten ist viel schwerer mit Arbeit. Muss man nicht Geld ausgeben für komische Anzug noch, wenn man hat keine Engagement.«
    »Es will einer schwerlich solches erlangen, so er nicht im mindesten für ein gefälliges Äußers Sorge hat. Es war überdies eine Occasion!«
    Piotr rümpfte die Nase. »Siehst du aus wie Oberkellner damit. Bist du Musiker, warum kaufst du nicht schwarze Anzug? Oder grau wenigstens?«
    »Aber so läuft doch jedermann herum«, hatte Wolfgang entgegnet und über den feinen Stoff gestreichelt.
    »Bist du nicht anders als jedermann. Gehst du umtauschen das schreckliche Ding!«
    Wolfgang indes hatte schmollend auf dem leuchtenden Zwirn beharrt und sorgte, wie Piotr später zugeben musste, auf diese Weise dafür, dass ihn trotz seiner geringen Körpergröße niemand übersah, wenn es ans Austeilen der Trinkgelder ging. Dennoch langte es oft gerade für das Notwendigste, und Wolfgang blieb nicht verborgen, dass Piotr argwöhnisch über seine Ausgaben wachte. Die Gage im
Blue Notes
fiel zudem magerer aus, als Wolfgang erwartethatte, doch immerhin genoss er nun an allen Abenden freien Eintritt und wurde von Czerny wohlwollend mit Freibier und kleinen Speisen bedacht, was er, sofern er keine weiteren Verpflichtungen hatte, weidlich ausnutzte. Er fühlte sich wohl dort. Das Stimmengewirr und die Musik alleweil waren wie geschaffen zum Komponieren, der Flügel recht ordentlich, und so kam es nicht selten vor, dass sich Wolfgang noch spät, wenn die letzten Nachtschwärmer den Heimweg antraten, daran setzte und die Zeit vergaß, bis nur mehr Czerny übrig blieb. Der schwarze Barmann war einer jener Zuhörer, deren Aufmerksamkeit ganz und so wahrhaftig war, dass sie ein Spiel erheben konnte.
     
    Mit Piotrs Hilfe gewöhnte er sich so gut ans U-Bahn-Fahren, dass er seine Scheu vor jenen Höllenwürmern allmählich ablegte, und als er eines Abends in einem von ihnen zum
Blue Notes
unterwegs war, versank er so tief in ein zuvor gehörtes Schubert-Adagio, dass er die Station verfehlte. Es war trocken, die Luft ungewöhnlich lau, und der Himmel hatte noch nicht vollends seine Farbe verloren. So entschloss sich Wolfgang, zu Fuß zu der verpassten Haltestelle zurückzugehen.
    Die Gegend war ihm fremd; da er seinen Stadtplan nicht bei sich trug, marschierte er auf gut Glück durch die halbdunklen Straßen und prägte sich ihre Namen ein, um sich künftig hier zurechtfinden zu können. Plötzlich stutzte er. Etwas in dieser Straße schien ihm eigenartig vertraut. Fuhrwerke parkten gedrängt zwischen Baumstämmen, und als er in die kahlen Kronen hinaufsah, die sich gespenstisch gegen das Licht der Straßenlaternen abhoben, war er sich sicher: Das musste Ennos Straße sein! In jene knorrigen Äste hatte er seinerzeit geblickt, auch an ein grellrotes Schild erinnerte er sich. Also konnten seine Noten nicht weit sein. Ob er das Haus fände? Suchend ginger von Tür zu Tür, bis er den Eingang zu dem ergrauten Mietshaus mit dem kargen Zierrat gefunden hatte.
    Er musste warten, bis die Scheinwerfer eines vorbeifahrenden Toyotas die Klingel beleuchteten. Mutig hielt er den Finger darauf. Niemand öffnete. Er klingelte nochmals, trat schließlich wieder auf die

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