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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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hier. Ein recht sonderbarer Ort, indem es vollkommen blau dort ist, aber man spielt eine Musique, die …«
    Sie nickte knapp.
» Blue Notes
, kenne ich.« Wieder ihr Blick, er lag auf ihm wie eine Hand, die nicht loslassen wollte, und sein Herz schlug vivacissimo. Scheu sah sie schließlich zu Boden und wandte den Kopf, blickte sich dann demonstrativ in der Küche um. »Noten wären auffällig in dieser Wohnung. Wo hast du sie denn gelassen?«
    »In jener Kammer dorten« – er zeigte auf die Tür, hinter der er geschlafen hatte –, »die man so große Freundlichkeit hatte mir für ein kurzes Nachtlager zu überlassen, und ich war …«
    »O Mann!« Sie blähte die Nasenflügel, stemmte die Hände in die Seiten und wich einen Schritt zurück.
» Du
bist der Penner, den diese Vollidioten in mein Bett gelassen haben? Und traust dich, hier aufzutauchen, nachdem du in meine Teetasse gepinkelt hast? Schwein!«
    Alles Blut wich aus Wolfgangs Gesicht. »Ich bitte um Vergebung, ich … die Ursache ist, weil ich ohne Zweifel in der rechten Überzeugung war, dass es ein Nachtgeschirr sei, und …«
    »Nachtgeschirr? Du tickst wohl nicht richtig! Hau bloß ab!« Mit wedelnden Armen suchte sie ihn aus der Wohnung zu treiben.
    Wolfgang stand still. Das also war die Frau, in deren Zimmer er geschlafen hatte. Unwillkürlich erinnerte er den körperlosen Duft, stellte sich ihren Leib zwischen den purpurfarbenen Laken vor und glaubte, zarte, flaumige Haut unter seinen Fingerspitzen zu spüren. Ein Lächeln machte sich frei.
    »Gewiss nicht, ehe ich meine Noten nicht beisammenhabe!« Mit wenigen Schritten war er in dem kleinen Zimmer, warf einen Blick über den Sekretär und begann in den Papierstapeln zu wühlen.
    »He, spinnst du? Finger weg, sonst rufe ich die Polizei!« Sie gab ihm einen überraschend kraftvollen Schubs in die Seite, dass er strauchelte und auf die Bettstatt fiel. Vor ihm zeichnete sich die Wölbung ihrer Hinterbacken unter dem glänzenden Stoff ihres Rockes ab, er spürte ein Tier in sich aufsteigen, erschrak und rappelte sich keuchend, mit dem letzten Rest an Selbstbeherrschung, vom Bett auf. Ohne ein weiteres Wort stolperte er aus der Wohnung und warf die Tür hinter sich zu.
    Nein, hierher kam er nicht mehr wieder, ein weiteres Mal ließe er sich nicht aus diesem Haus werfen. Festen Schrittes lief er die Straße entlang. Er würde diese verdammten Noten neu aufschreiben oder sie einfach vergessen, ohnehinwar das, was er an jenem Morgen gesetzt hatte, längst abgetan, von weitaus kühneren Gedanken überholt. Allein für das Agnus Dei hatte er in den vergangenen Wochen vier Fassungen geschrieben, weil unablässig Eindrücke auf ihn einstürzten, die das bereits Geschriebene durch ihre Lebendigkeit verblassen ließen. Dennoch betäubte ihn im Weiterlaufen eine nagende Trauer – war es der zurückgelassenen Compositionen wegen, oder lag es am Tee der Vogelfrau, die ihm jetzt schon zu fehlen begann?
     
    »Piotr, wie spät ist es?«
    Piotr sah auf seine Armbanduhr. »Halb vier. Fragst du zehnmal schon, heute.«
    »Nun, die Ursache ist, weil ich nicht versäumen will, dass es neunzehn Uhr werden soll.«
    »Hast du dreieinhalb Stunden Zeit noch.«
    »Ha! Schau, just so hätt ich mir’s wohl gedacht. Also zählet man bis zur vierundzwanzigsten Stund, welche in der Mitten der Nacht ist, und alsbald fängt man mit der ersten wieder von vorne an.« Wolfgang kauerte auf dem Boden vor dem Couchtisch und hatte zur Einstimmung auf den Abend ein Trompetensolo in guter Absicht gehabt, das ihm jedoch nicht recht von der Hand gehen wollte. Die Melodie aber ließ ihn nicht los, spann sich fort, tönte als Fagottklang, bis er merkte, dass er endlich eine wahrhaft würdige Bläserstimme für das Confutatis gefunden hatte. »Voca me cum benedictis.«
    »Was?«
    »Das Fagott. Im Confutatis.«
    »Redest du wieder große Blödsinn, Mann.«
    »Jawohl, so hat es zu sein – in der Mitte der Nacht und dann wieder von vorne, immer zwölf Takte – hmm, hmmmmm, hmhm…!«
    Tief befriedigt trat Wolfgang am Abend den Weg ins
Blue Notes
an, den einzigen, der ihm mittlerweile sowohlzu Fuß wie auch in der U-Bahn vertraut war und der sich in seiner Vorstellung wie ein blaues Band durch einen Teil der so riesenhaft gewordenen Stadt schlängelte. Wann immer es Wolfgangs Zeit und Vorwitz erlaubten, wagte er, in kleinen, erst allmählich sich erweiternden Eskapaden, davon abzuweichen, bis er sich der umliegenden Straßen und Plätze immer

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