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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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Vorhänge zu, um das Licht der Straßenlaterne auszusperren. Vermutlich rührte seine neue Gewohnheit nur von der Arbeitslampe, die taghell und gleichgültig vor sich hin leuchtete und ihn wach hielt, anders als die Öllampe, früher, deren unruhiger Schein ihm das Gefühl gegeben hatte, Leben an seiner Seite zu haben. Oder gar die freche Kerze, die sich mit ihrem koboldhaften Flackern allabendlich in seine Kompositionen geschlichen hatte, um – nach getaner Arbeit – sich selbst und seine Augen kleiner werden zu lassen und endlich, mit einem letzten müden Winken, zur Nachtruhe zu mahnen.
     
    Eines Morgens endlich, Wolfgang war, als habe er gerade erst in den Schlaf gefunden, weckte ihn das ersehnte Klackern von Piotrs Schlüsselbund. »Welche Freude, Piotr! Mein lieber Freund Pscheatschil. Da bist du also gesund zurück, Gott sei Lob und Dank! Ich hoffe, deine Reise war nicht allzu beschwerlich?«
    Mit einem müden Seufzer warf der Geiger sich in einen Sessel. »Sind wir gefahren zwanzig Stunden, fünf Leute in Golf. Brauch ich Kaffee jetzt!« Piotr erhob sich, ließ Wasser in den Kessel laufen und griff nach dem leeren Kaffeeglas. Er gab ein Brummen von sich, öffnete die Tür des Kühlschrankes und förderte die letzte, nur mehr halbvolle Dose mit Bohneneintopf zutage. Langsam wandte er sich um und schickte Wolfgang einen Blick, als mustere er ein exotisches Tier.
    »Ist alles, was du hast gelassen?«
    Wolfgang zog die Mundwinkel in die Breite. »Erbsen, Bohnen, Linsen lassen’s Arschloch grinsen!«
    »Aber ist keine Kaffee mehr da. Hast du nicht gekauft neue!«
    »Ach, liebster Piotr, bester Freund. Meine Umstände sind dermalen so, dass ich mich gezwungen sah, um auf das Nötigste zu kommen, mich in größter Ungeduld auf deine Rückkehr zu besinnen.«
    »Was?«
    Wärme durchfuhr Wolfgang, als er Piotrs verständnisloses Gesicht sah. Natürlich, der Pole kam just aus seiner Heimat zurück, hatte tagelang in keiner anderen als seiner eigenen Sprache gesprochen und war offenbar nicht mit der Gabe gesegnet, sich unversehens von einem Idiom in das nächste zu finden. »Schau, Piotr, mit nichts macht man nichts, nicht wahr? – Ich hab mir müssen Leibwäsche neu zulegen und all die anderen nötigen Ausgaben – kurz – es hat nicht gelangt.«
    »Aber hast du gehabt über dreihundert Euro von Gage. Und Engagement bei Italiener. Was hast du gemacht?«
    »Ach, Piotr, hast du nicht selbst gesagt, der sei ein Lump, dieser Welsche, und ein nichtsnutziger obendrein? Was soll man sich abgeben mit so einem, wenn man einen rechtschaffenen Mann sich nennet? Das ist das wenige nicht wert, das man darob gewinnen könnt.«
    »Hast du besser Spatz in Hand als Kanarienvogel auf Dach.«
    »Mitnichten! Einen ganzen Käfig voller Vögel nenne ich bald mein Eigen! Dadaramdam dadadadaramdamdam – daram, daram, daramdamdam … du wirst beglücket sein zu hören, dass alles einen guten Gang genommen und ich zu einer Anstellung gefunden habe und außerdem …«
    »Anstellung?
    »Ganz recht, es ist betreffend nämliches Lokal, das blaue, in das du mich geführet hattest.«
    »In
Blue Notes
, in Jazzkneipe? Liebe Himmel, Wolfgang!«
    »Es ist ein vortrefflicher Ort, man braucht nichts als einige Stücke nach der Phantasie freiweg zu spielen, hat also keine Arbeit, sondern allzeit nur wohlfeiles Vergnügen. Und Bier, so viel man möchte. Überdies ist man dort recht froh, mich spielen zu hören, und schätzet mich. Du solltest einmal mit mir kommen, Piotr, mein lieber Freund, da ist auch für dich brav lustig sein.«
    »Hab ich dir gesagt, bin ich keine Jazz-Musiker.«
    Wolfgang sprang auf, eilte zum Tisch, blätterte in den Notizen der vergangenen Tage. »Geduld, mein Freund, alles ist dort gestattet, und ich habe der Compositionen bereits für dich angefertigt.« Strahlend reichte er Piotr, was er sich nach seinem Vortrag im blauen Lokal notiert hatte. Ein paar wagemutige Fantasien, die Piotrs Begabung für langsame Partien zugutekämen und davon absehen ließen, dass der Geiger ansonsten freilich niemals ein wahrhaft zwangloses Spiel zustande brächte.
    »Wie viel geben sie Gage dort?«
    »Oh, Piotr, bester Freund, was sollen wir uns sorgen wegen des lästigen Geldes, wenn wir unsere Lust haben können an der Musique. Lass uns Kaffee kaufen und uns deiner Rückkunft freuen.«
    Piotr gab ihm kopfschüttelnd die Noten zurück, ein Papier rutschte heraus und fiel zu Boden. Das Billett des Herrn Liebermann! Rasch bückte sich Wolfgang

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