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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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er sechsunddreißig Jahre und beste Pianist, was ich kenne, aber hat er keine eigene Wohnung und nicht mal Prepaidhandy.«
    »So, wie ich ihn einschätze, ist er aber ein Typ, der prima ohne Strom und Wasserleitung auskäme, stimmt’s? Als wär er irgendwo im Dschungel aufgewachsen. Wo kommt er eigentlich her?«
    »Hat er mir nie gesagt. Weiß ich nur, dass ganze Familie ist tot. Muss passiert sein etwas Schlimmes, vielleicht irgendeine Krieg …«
    »Dafür ist er aber reichlich albern.«
    »Ist psychologisch, glaube ich. Macht er immer Unsinn, wenn ich rede ernst mit ihm. Sagt er verrückte Sätze dann, oder tanzt er herum … Komische Vogel. Aber immer wenn ich höre Musik von Wolfgang, denke ich, ist er kleine Bruder von liebe Gott.«
    Czerny stellte Bier und Weingläser auf ein Tablett und warf ihm einen wissenden Blick zu. Dann verschwand er in der Menge.
    Piotr lehnte sich mit dem Rücken gegen den Tresen, sah zu dem blauen Flügel hin und dachte an jenen ersten Nachmittag, da er Wolfgang auf dem Domplatz getroffen hatte. Ein Penner, nichts weiter. Einer, dem das Leben an irgendeinem Punkt aus den Händen geglitten war und der fortan mit einer Plastiktüte voller Altkleider durch dieStadt schlurfte. Nie war sich Piotr sicher gewesen, woran er mit Wolfgang war. Mehr noch als die schrulligen Äußerungen, die Piotr vielleicht als Scherze hätte werten können, irritierte ihn die Selbstverständlichkeit, die vollkommene Überzeugung, mit der Wolfgang auch die größten Torheiten beging. Nein, er wurde nicht schlau aus ihm und war mit einem Mal gar nicht mehr sicher, ob er Wolfgang jemals wieder zu sehen bekäme. Obwohl Piotr in seinem Herzen Wolfgang einen treuen Kerl nannte, war dieser Pianist doch der unzuverlässigste Mensch, den er kannte. Ob er sich überhaupt eine Vorstellung davon machte, was es für Piotr hieß, seine Kunden zu verlieren? Der Italiener mochte ein Widerling sein, doch er hatte Piotr auch in schlechten Zeiten mindestens zweimal im Monat spielen lassen. Halbherzig dachte er an Wladimir. Ob er es doch noch einmal bei dem Russen versuchen sollte? Vielleicht hatte der ihm ja verziehen. Doch würde Piotr es überhaupt ertragen, wieder mit ihm zu arbeiten, jetzt, da er mit Wolfgang gespielt hatte? Ein dicker schwarzer Gedanke senkte sich auf Piotrs Gemüt. Würde er überhaupt je wieder mit einem anderen spielen können? Er legte drei Münzen auf den Tresen.
    »Geht schon okay.« Czerny schob das Geld zurück. »Soll ich ihm was ausrichten, wenn er doch noch kommt?«
    Dass ich ihn brauche, dachte Piotr und zog seine Jacke an. »Soll er nicht vergessen seine Termine gefälligst, kannst du sagen. Muss er spielen morgen Abend
Da Bruno
.« Dann schüttelte er den Kopf. »Ach, nein, sagst du ihm gar nichts, muss er nicht wissen, dass ich bin da gewesen.« Er erwiderte das Lächeln des Barmannes und trottete in die Nacht hinaus.
***
     
    Am vierten Tag nahm Wolfgang seine Tüten, die noch genau dort an der Wand lehnten, wo er sie hingestellt hatte,und trat aus dem Hoteleingang wie aus einem Kokon, hinaus in den Lärm und die Kälte jener wirklichen Welt, die doch gar nicht die seine war. Wohin sollte er gehen? Piotrs Wohnung würde er sich sein Lebtag nicht mehr auf hundert Fuß nähern, und an Mado zu denken, hatte er sich am gestrigen Abend für alle Zeit versagt. Von Adrian kannte er keine Adresse, und zu Liebermann zu gehen verbot ihm der Anstand. Also schleppte er sich Richtung
Blue Notes
.
    Sein Hunger war so groß, dass er ihn nicht mehr spürte. Unterwegs kam er an einem Supermarkt vorbei, quälte sich durch die Regalreihen auf der Suche nach der größtmöglichen Portion, die er für seine letzten Münzen bekommen konnte. In einem Bord ganz unten fand er schließlich ein fertig geschnittenes Dreipfundbrot im Plastikbeutel, das er sich in die Armbeuge klemmte wie ein Baby und unterwegs scheibenweise in sich hineinstopfte.
     
    Das
Blue Notes
war noch abgeschlossen. Er spähte durch die Tür, sah Czerny am Tresen hantieren und pochte gegen das Glas.
    »Um Gottes willen! War das die Blonde? Du schaust aus wie der Tod auf Urlaub.«
    Wolfgang fuhr sich mit der Hand übers Kinn. »Ich entbehre mein Rasierzeug.«
    »Das ist aber nicht das Einzige, was dir fehlt, oder?« Czerny hielt fragend ein Bierglas in die Höhe.
    Wolfgang hievte sein Brot auf den Tresen. »Es fehlt an allem, wessen ein Mensch bedarf. Wenn also der sehr ehrenwerte Herr Patron, der große Musikversteher, im Hause wäre, auf dass

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