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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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du? Liegst du herum mit Stern in Hand ohne Cent.«
    »Zum Teufel, ja! Und es geht mir gut damit, verdammt gut. Zufrieden bin ich. Froh. Glücklich. Selig. Berauscht. Beseelt. Verliebt! Ja! Das ist das Leben! Was also willst du von mir?«
    »Will ich, dass du denkst an nächste Morgen. Und nächste Woche und nächste Jahr. Wirst du brauchen Wohnung und Bett und Kühlschrank.«
    »Es fehlt uns doch an nichts, Piotr.«
    Piotrs Stimme wurde leise, und seine Augen fixierten ihn traurig. »Aber liegst du auf meine Sofa, przyjaciel.«
    Ohne ein Wort stand Wolfgang auf, zog eine leere Plastiktüte aus dem Mülleimerschrank und begann Stapel von Noten, die überall verstreut lagen, hineinzusammeln.
    »Bin ich weg irgendwann, Wolfgang, zurück in Polen, was machst du dann?«
    Ohne Piotrs Worte zu beachten, stopfte er seine sonstigen Habseligkeiten in eine zweite Tüte.
    »Machst du Blödsinn, jetzt, wo willst du hin ohne Geld?«
    »Zu jemandem, dem ich nicht zur Last falle.« Ehe Piotr etwas antworten konnte, hatte Wolfgang den ersten Treppenabsatz erreicht.
     
    »Moooment, wo wollen Sie denn hin?« Eine heisere Stimme tönte durch den schmalen Flur.
    »Hinauf.« Wolfgang drehte sich um und ging rückwärts weiter. Eine dicke Frau war im Eingang aufgetaucht. Sie sah aus wie ein kleiner Elefant mit einer Schürze um den Bauch.
    »Sie sind aber kein Gast bei uns.«
    »Ich bin zu Gast bei Mademoiselle Madeleine.«
    »So!«, rief sie und stemmte die Hände in die Hüften. Ihre Stimme dehnte sich wie ein Gummiring. »Das Fräulein ist aber schon abgereist.«
    »Abgereist? Mado –« Sein Hals schnürte sich zusammen. So schnell er konnte, hastete er durch den Gang, die Treppe nach oben und blieb abrupt vor Mados geöffnetem Zimmer stehen. Es war tot. Die Plumeaus welkten über der Bettkante, die Vorhänge waren zurückgezogen und überließen sein Sternenreich hartem, kaltem Tageslicht. Auf dem Nachttisch lag noch der Zettel, den er ihr geschrieben hatte. Durch die Badezimmertür sah er eine junge Frau, die gerade dabei war, die benutzten Handtücher in einen blauen Wäschesack zu werfen.
    »Nein!« Mit einem Satz war Wolfgang bei ihr, riss die Tücher wieder heraus und legte sie an seine Wange.
    »Ich hab Ihnen doch gesagt, hier ist keiner mehr«, schnaufte die Stimme der Wirtin hinter ihm.
    » Ich
werde hier bleiben.«
    »Das Zimmer ist nicht fertig, Sie können eins im Parterre haben.«
    »Nein, just dieses will ich, eben so, wie es ist.« Er schob die Magd aus dem Bad. »Es ist gut, hören Sie auf.«
    Die junge Frau warf Wolfgang einen Blick zu, als habe er sie um etwas Unanständiges gebeten, sah dann ihre Patronin hilfesuchend an. Die zuckte die Schultern.
    »Ich brauch aber Ihre Anmeldung …«
    »Ich komme nach unten, später.« Eine jähe Hoffnung ließ ihn innehalten. »Sie hat doch gewiss eine Nachricht hinterlassen?«
    »Bedaure.«
    »Und eine Adresse? Ihre Adresse!«
    Die Elefantin schüttelte den Kopf. »Was erwarten’s? Eine Französin halt.«
    Wolfgang verschloss die Tür und zog die Vorhänge vor. Er trat aus seinen Schuhen, warf sich auf das Bett und vergrub sein Gesicht im Kopfkissen. Mados Kopfkissen. Wie lange mochte ihr Duft darin haften bleiben? Einen Tag, zwei? Eine Woche? Wolfgang streichelte sanft über die Falten, die ihr Körper in den Laken hinterlassen hatte, spürte, wie die Tränen auf dem Kissen seine Schläfen kühlten. Sie hatte ihn nicht einmal nach seinem Namen gefragt.
    Erst als es dunkel wurde, schlich er nach unten und zahlte im Voraus. Sein Geld reichte für drei Tage und zwei Flaschen Rotwein. Danach würde er weitersehen.
     
    Als er die Augen öffnete, war es still. Keine Türen schlugen, keine Schritte oder Stimmen waren im Korridor zu hören. Die Leuchtbuchstaben vor dem Haus schickten ihr bleiches Licht herein, und das Zimmer umfing ihn wie etwas längst Vertrautes. Alles war so unverändert, dass er für einen winzigen Augenblick Hoffnung schöpfte, doch dann fühlte er das kalte Laken neben sich, sah den leeren Sessel, den finsteren Spalt der offen stehenden Badezimmertür, und etwas in ihm krampfte sich zusammen zu einem schwarzen zähen Klumpen. Er stand auf, öffnete weit das Fenster und ließ die kalte Nachtluft an seinem nackten Körper vorbei ins Zimmer ziehen. Die Stadt dröhnte ihren beständigen Bass. Erinnerte ihn plötzlich an das Meer, damals, als er einst des Nachts dort gestanden und die Weite ihn überwältigt hatte, die Schwärze des Wassers sich mit der des Himmels

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