Herrchenglück: Vom Chaos auf acht Pfoten

habe ich nur drei persönliche Termine:
    08:00 Tablettenausgabe
    14:00 Tablettenausgabe
    20:00 Tablettenausgabe

    Emotionsflexibel veranlagter Ersthund, renitenter Zweithund, zwei prügelnde Kaninchen, drei energische Teenager, ein bo ckiges Elternpärchen und eine glimmende Lunte namens Pubertät – in dieser feuergefährlichen Zusammensetzung rauscht und scheppert unsere sozial gemischte Gruppe durch die Feiertagskurven hinein ins neue Jahr.
    Die Geschwindigkeit nimmt ruckartig zu, immer schön nach Jochen Knollmanns Motto Was nicht mit Gas geht, geht mit viel Gas . Der muss es wissen. Bevor er vor mehr als zwei Jahrzehnten mein allererster Chef war, ist er Rallye gefahren.
    Jeder Jugendliche im Haushalt – dazu zählt auch das vierbeinige, schwarzweiße Geschoss, das zum ersten Mal mit uns Silvester feiert – drückt auf die Tube, so fest er kann. Zum Nachtisch werden Nitroglyzerinplätzchen gereicht.
    Luna hat eine gespaltene Kralle, weil sie dringend unter einer Eisplatte etwas Unaussprechliches freibuddeln musste. Nun trägt sie wie letztes Jahr eine rosa Socke mit silbernem Panzertape. Ganze zehn Minuten lang. Dann ist Nachtschwester Wiki dabei behilflich, die Socke auszuziehen. Das gute Stück wird brüderlich geteilt, das heißt brachial in der Mitte auseinandergerissen, eingespeichelt und zerkaut.
    Bei der Vergabe von Kosenamen stelle ich fest, dass man dazu neigt, große Tiere kleiner zu machen und kleine größer.
    Luna, vierzig Kilo, arme Maus!
    Wiki, sechzehn Kilo, feiner Bär!
    Irgendwie bin ich schon froh, dass keiner zuhört.
    Luna laboriert übrigens nicht nur an einer gespaltenen Kralle, sondern auch an einer ebensolchen Persönlichkeit. Während zu Hause Frau Doktor Jekyll bedächtig in sich ruht, zieht draußen Mrs. Hyde eine Schneise der Verwüstung. Sie will unter einem dumpf dieselnden, gelbe Tonnen zerquetschenden Mülllaster hindurch, um auf der anderen Seite Bauer Fürmanns Wolfi zu verhauen.
    Da steht man aber saublöd da mit seiner positiven Bestärkungswurst!
    Überhaupt erfreut das neue Jahr von Anfang an mit erfrischenden Variationen an aufmüpfigem Verhalten. Wiki rennt jetzt nicht nur immer der Postbotin hinterher, nachdem er über den Zaun gesprungen ist. Nein, nein. Manchmal platzt er auch wie eine Haubitze zwischen die von den Terrakottakriegern zwangsernährten Katzen.
    Bei diesen Gelegenheiten frisst er nachmittags um drei in aller Seelenruhe und von uns unbemerkt sämtliche Katzennäpfe leer, belästigt kurz darauf die Umgebung mit Darmwinden und setzt zwölf Stunden später, wenn die für fiepende Hunde Verantwortlichen im Koma liegen, einen Riesenhaufen ins halb renovierte Badezimmer.
    Wie soll ich den Duft beschreiben, der von diesem Ding ausgeht?
    Sagen wir mal so: Im heißen Sommer verendete irgendwo im Zwischenboden des Schlafzimmers eine Maus. Wogen fie ser Verwesung waberten um mein Bett. Erst süßlichfleischern, dann fauligmadig, gegen Ende dominierte ein unangenehm metallener Geruch, der nach und nach verduftete und schließlich verschwand.
    Jetzt liegt ein Stockwerk tiefer dieser Haufen im Bad, und die Kernfrage lautet: Kann man sich nach dem Gestank einer toten Maus sehnen?
    Man kann!
    Während ich würgend die Hinterlassenschaft beseitige, wird mir klar, dass die Zeiten, wo Tage einfach so dahinplätschern, ein für alle Mal vorbei sind. Hier plätschert nichts mehr. Es fühlt sich eher an, als stürze man in einem Fass die Niagarafälle hinunter. Das Doppel-Pack läuft sich warm. Einige Nummern sind bildzeitungsreif. Zumindest könnten sie mit den entsprechenden Schlagzeilen versehen werden.
    Lustreport 2012 – Sex am Herd
    Luna ist die Gleichmut in Person. Eingerollt wie eine Boa constrictor imperator zuckt sie nicht mit der Wimper, wenn Wiki wie ein Flummi durch die Küche hüpft und ihr auf die Nase tritt. Ebenso wenig zeigt sie eine Reaktion, wenn der vierzehn Monate alte, pubertierende Schwerrüpel massives erotisches Geschütz auffährt und an ihrem Hals knabbert. Sie rührt sich nicht. Mister Lova-Lova ficht das nicht an. Er ver stärkt unverdrossen seine Bemühungen. Virtuose Verführungs kunst sieht anders aus. Irgendwie erinnert er an einen schwer atmenden Vierzehnjährigen, der an seinem ersten BH werkelt. Luna gähnt.
    Mörderlabbis greifen an
    Wenn Wiki irgendwo hinwill und nicht hinkommt, weil die Leine zu Ende ist, legt er sich mit seinem ganzen Gewicht auf die Erde und robbt auf allen vieren weiter. Selbst beim Fahrradfahren steckt er seinen