Herrchenglück: Vom Chaos auf acht Pfoten
zähnefletschend in Kampfstellung. Stella greift nach seinem Halsband, um den Butterkrieger eigenhändig aus der Küche zu schmeißen.
Wikis Kopf schnellt nach vorne wie eine Königskobra.
»Möchten Sie eine örtliche Betäubung?«, fragt der freundliche iranische Notarzt in der Ambulanz des Haaner Krankenhauses.
»Kommt darauf an, was Sie vorhaben«, sagt Stella.
Ich gehe vorsichtshalber in Deckung.
»Sie haben da vier ziemlich tiefe Löcher«, sagt er und sieht aus, als freue er sich diebisch über neue Herausforderungen an diesem medizinisch wohl langweiligen Samstagmorgen. »Zwei auf dem Handrücken – Biss – und zwei auf der Handunterseite – Gegenbiss. Sie wissen, wie wichtig es ist, dass Hundebisse von innen nach außen heilen. Auf gar keinen Fall dürfen sich die Wunden an den Oberflächen zu früh schließen. Wenn in der Tiefe noch Keime sind, haben Sie in zwei Wochen ein richtiges Problem mit dieser Hand.«
»Also gründlich auswaschen und verbinden«, sagt Stella. »Dafür brauche ich keine Betäubung.«
»Ich werde noch Drainageröhrchen legen, damit das Wundwasser abfließen kann. Wenn Sie am Montag zum Hausarzt gehen, kommen die wieder raus.«
»Ich habe nur die dicken Röhrchen da, Herr Doktor«, sagt die Schwester.
»Die kann ich nicht gebrauchen«, sagt der Arzt. »Danke. In diesem Fall baue ich uns lieber ein Provisorium aus einem Gummihandschuh.« Er wedelt erklärend mit der Verbandschere in unsere Richtung. »Ich schneide zwei Gummifinger ab und ziehe sie durch die Löcher.«
»Jetzt hätte ich doch gerne eine Betäubung«, murmelt meine blasse Frau.
»Ich auch«, sage ich.
»Aha«, sagt der Arzt.
Nachdem die Spritze wirkt, nimmt er Stellas verletzte Hand, schiebt die gebogene Spitze einer Moskitoklemme durch das linke Loch im Handrücken und werkelt so lange unter der Haut, bis die Spitze zum rechten Loch wieder herauskommt. Dort klemmt er den abgeschnittenen Gummifinger in die Zahnung und zieht ihn unter die Haut. Als er damit fertig ist, hängt aus jedem Loch eine ungefähr gleich lange Gummistrippe heraus. Der Doc verknotet die Enden. Dann zieht er die gleiche Nummer an Stellas Handunterseite durch.
Irgendwie erinnert das alles an ein Wüstenlazarett im hintersten Winkel der Dasht-e Lut im iranischen Hochland. Warum man im Wissen um diese metzgermäßige Prozedur überhaupt noch fragt, ob der Patient eine Betäubung wünscht, ist mir schleierhaft. Vermutlich hatte der Doc in der Vergangenheit vermehrt mit Patienten zu tun, die nur ein Beißholz und eine Flasche Whiskey brauchen, wenn ihnen das Bein amputiert wird.
Zum Schluss wird der Arm mit einer Gipsschiene ruhiggestellt und ordentlich verbunden. Ich bin skeptisch, ob das alles richtig ist. Wir sind doch hier nicht im Krieg, sondern im Rheinland.
Unser Hausarzt wird am Montag den Verband öffnen und sagen, er habe noch nie eine so saubere, effiziente und hervorragende Erstversorgung bei einem Hundebiss gesehen.
Stella, ich und die Hunde spazieren über den Pommes-Acker hinter der Baumschule. Hier findet man auch Monate nach der Kartoffelerntezeit noch kleine Knollen. Das nutzen beide Hunde, um typisch rheinische Küchentraditionen zu pflegen und nach Herzenslust Himmel un Ääd zu futtern. Die runzligen Kartoffeln fressen sie roh vom Acker, und wer auf Ent fernung Sitz macht, kriegt noch ein Bröckchen Blutwurst dazu.
Luna schürft in unserer Nähe nach Bodenschätzen.
Wiki saust kreuz und quer über das Feld und schlägt sich die Wampe voll. Er sieht aus wie ein Kriegsversehrter. Frisch vernähte Brustwunde, am Hals das vom Anpiksen zwar kleiner gewordene, aber immer noch beulige Hämatom mit Wund wasseransammlung. Dazu passend trägt er sein versifftes Feinrippleibchen.
Meine erboste Frau sieht ähnlich derangiert aus. An ihrem dicken Anorak baumelt ein leerer Ärmel. Sie deutet mit dem eingegipsten Arm auf den kleinen Hund, der mit vollen Backen Kartoffeln mampft.
»Was haben wir uns da eingebrockt«, sagt sie. »Luna ist im Haus ein Traum und draußen eine Granate. Damit konnte ich gut leben. Ich gehe ja nicht mit ihr spazieren. Jetzt kommt diese kleine Sau und dreht den Spieß um.«
»Draußen ein Traum und drinnen eine Granate«, nicke ich.
»Genau«, sagt Stella. »Bisher hatten wir wenigstens in unserem Haus mit Hunden keine Probleme. Das ist jetzt vorbei. Der beißt sogar. Das tut saumäßig weh, kann ich dir sagen.«
»Ich weiß«, sage ich.
»Ich bin wirklich froh, dass der erste Arzt seinen Job
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