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Herrchenjahre

Herrchenjahre

Titel: Herrchenjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frey Dodillet
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müdes Lid. Unterm Strich machen dreißig Grad im Schatten aus meinem Raubein das, was Otto Normalhundehalter so ein braves Hundi nennt.
    Unbedingt klären: Mit welcher Technologie lassen sich diese wohltuenden dreißig Grad nach Deutschland importieren und ganzjährig käseglockenartig über dem Hund aktivieren, sobald der Karabiner am Halsband einrastet?

    Sainte-Croix-du-Verdon / 2. Juli / 16:12 / 33,0° C / Welpenverschonen am See
    Auf dem Rückweg nach einem langen, heißen Badetag. Die schmale Seestraße wird von einem unschuldig wuselnden Shar-Pei-Welpen blockiert. Der ist höchstens zwölf Wochen alt und versucht nach Leibeskräften, in sein faltiges Fell hineinzuwachsen. Ich erspare ihm seine erste Begegnung mit der Krawallmaus, die ihn seewassergekühlt ordentlich zurechtstutzen würde, und mir aufgebrachte Diskussionen über das Märchen vom Welpenschutz. Die kann ich nicht mal auf Deutsch führen, geschweige denn auf Französisch. Also weiche ich leichtsinnigerweise über die Liegewiese aus.
    Leider übersehe ich dabei die angepflockte Münsterländerin, die umgehend auf uns zuschießt. Luna schießt zurück. Glatter Rasen, leichte Hanglage, feuchte Sandalen, ich lande auf der Nase. Ein Weilchen wälze ich mich in der Wiese – das beruhigt beide Hunde – und setze danach meinen Weg
fort, als wäre nichts gewesen. Mittlerweile handhabe ich peinliche Situationen so routiniert, dass ich Gespräche exakt da fortsetzen kann, wo ich sie vor dem Sturz abgebrochen habe.

    Riez / 3. Juli / 12:28 / 35,5° C / Voilà, les garçons
    Ein Rüde stratzt auf Luna zu und rammt ihr ohne viel Federlesens die Nase in den Hintern. Madame ist beeindruckt und einem Tête-à-Tête nicht abgeneigt. Der Kerl wiegt ganze fünf Kilo und reicht ihr kaum bis ans Knie!
    Wenig später trottet ein weiterer Streuner des Wegs, einen Kopf größer als Luna und zehnmal schwerer als der erste Typ. Er hält inne, wendet unterwürfig den Blick und dreht um. Trotz der irrsinnigen Hitze keult Luna mächtig hinterher.
    Erkenntnis: Wahre Größe hat nichts mit Körpergröße zu tun.

    Sainte-Croix-du-Verdon / 4. Juli / 07:12 / 24,0° C / Ein Dorf wird wach
    Riesenschlägerei auf dem Weg zum Supermarché. Luna und ich wissen nun, dass provenzalische Kater genauso mickrig gebaut und genauso derb unterwegs sind wie die toskanischen. Einziger Unterschied: Toskanische Kater lassen einen passieren, provenzalische greifen an. Nicht weil sie in die Enge getrieben werden, sondern weil sie gerade keine Lust haben, ihren Platz mitten auf der Dorfstraße aufzugeben. Die kleinen Kerle setzen uns sogar nach. Mein aufgebrachter
Hund heult das ganze Dorf zusammen. Jetzt kennt uns jedes Mütterchen. Auch gut, wir sind ja immerhin schon drei Tage hier.

    Moustiers-Sainte-Marie / 5. Juli / 11:16 / 33,5°C / Sommerknie Moustiers-Sainte-Marie liegt malerisch am Ausgang der Verdonschlucht und wurde um vierhundert von Mönchen aus der Gegend von Cannes gegründet.
    Das Bergdorf ist so abgelegen, dass es im Mittelalter nicht einmal die Pest bis hierher geschafft hat. Mitten durch den Ort braust in Kaskaden das Flüsschen Maïre. Ein Kreuzweg führt den Berg hinauf, an dessen Ende sich die Wallfahrtskapelle Notre-Dame-de-Beauvoir in die Felsen schmiegt. Die beiden Berggipfel oberhalb der Kapelle sind mit einer zweihundertsiebenundzwanzig Meter langen Eisenkette verbunden, an der ein vergoldeter Stern baumelt. Das Geschmeide wurde im dreizehnten Jahrhundert von einem Kreuzritter angebracht, der sehr froh war, dass er die Kreuzzüge überlebt hat. Wie er das angestellt hat – das Anbringen, nicht das Überleben -, entzieht sich meiner Kenntnis. Vermutlich konnte er klettern wie eine Katze.
    Apropos Katze. Katze taucht auf, Luna faucht los. Alles wie gehabt. Glatte Sandalen, abschüssige Dorfstraße, rutschiger Rollsplitt, ich lande auf der Nase. Man sagt, ein Hund halte jung. Das stimmt. Wenn ich meine zerschrammten Knie betrachte, fühle ich mich wieder wie zehn.

    Sainte-Croix-du-Verdon / 6. Juli / 21:14 / 29,0°C / Totenstille Auf einmal hören die Zikaden auf zu zirpen.

    Moustiers-Sainte-Marie / 7. Juli / 15:41 / 31,0° C / Faulenzen im Café
    Kein Witz! Fünfundzwanzig ereignislose Hundebegegnungen, während wir bei Café au Lait und Perrier im Straßencafé faulenzen. Alles, was auf vier Beinen vorbeiflaniert, wird mit lässig übereinandergelegten Pfoten gemustert und gleichgültig angegähnt. Ich mache mir ernsthafte Sorgen.
    Nimmt mein Hund Drogen?
    Trinkt er

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