Herrchenjahre

heimlich Anisette?
    Oder greift M.A.T.S. tatsächlich?

    Riez / 8. Juli / 22:01 / 29,0° C / Temperatursturz I
    Es stimmt. Dreißig Grad ist die Temperatur des Friedens. Sinkt das Thermometer unter diese magische Grenze, findet die Krawallmaus umgehend zu ihrer alten Form zurück. Zum Beispiel abends um zehn im Restaurant, als die Katze des Hauses an den mit Escalope à la Chef, Loup de Mer und Saisongemüsen beladenen Tischen entlangschnurrt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass handelsübliches Bistrogestühl nicht massiv genug ist. Eine schmiedeeiserne Variante wäre wünschenswert. Dann trudelte das Möbel im Ernstfall nicht hinter dem Hund her, und ahnungslosen Herren am Nebentisch bliebe der Beinahe-In farkt erspart.

    Riez / 8. Juli / 23:01 / 28,0° C / Temperatursturz II
    Eine Stunde später ist es ein weiteres Grad kühler. Ich gebe in der Ortsmitte am Geldautomaten den Clown, indem ich mit rechts die Geheimzahl eintippe und mit links vierzig Kilo wütend explodierende Hündin bändige, die auf der Stelle unter einen Renault 5 – der ist zu allem Überfluss auch noch tiefer gelegt – krabbeln will, um eine Katze umzubringen, die ihr von dort den Stinkefinger zeigt.
    Die einheimische Bevölkerung auf der Bank fühlt sich gut unterhalten. Wir versprechen, in der kommenden Woche eine weitere Vorstellung zu geben. Vielleicht machen wir es wie der Wanderzirkus und fahren vorher mit dem Megafon-Auto durch den Ort: »Ce soir! Vingt heur et demi! Grand nouveau spectacle!«

    Sainte-Croix-du-Verdon / 9. Juli / 09:34 / 22,0° C / Alles in Alarmbereitschaft
    Der Mistral ist da. Dieser Wind weht je nach Laune drei, sechs oder neun Tage und kühlt das glutheiße Land um zehn Grad ab. Kenner ahnen bereits, welch dramatischen Einfluss er auf das Temperament meines Hundes haben wird.
    Wir wappnen uns.

    Sainte-Croix-du-Verdon / 10. Juli / 11:34 / 22,5°C / Einheimische Küche
    Am Strand liegt ein toter Fisch. Dem Duft nach zu urteilen liegt er da schon länger. Luna wartet, bis keiner hinguckt, und frisst ihn auf. Es gibt Erfrischenderes im Leben als einen
Hund, der dir nach so einer Mahlzeit zufrieden ins Gesicht schnauft.

    Sainte-Croix-du-Verdon / 11. Juli / 14:11 / 23,5° C / Einäugiger Bulli
    Der Nachteil an diesen neumodisch verkapselten Motoren ist, dass man an nichts mehr rankommt, nicht mal mehr an die Scheinwerfer. Das linke Abblendlicht ist defekt. In der Bedienungsanleitung steht, man solle die Glühlampen nicht selber wechseln, weil man dafür Teile des Motors ausbauen muss.
    Ich schäume! Der Hund kann nichts dafür.

    Sainte-Croix-du-Verdon / 12. Juli / 11:49 / 21,5° C / Bockige Reißverschlüsse
    Innenzelt, Außenzelt, Schlafsack, Kühltasche, Hosenlatz, Kulturbeutel, Badetasche. Beim Campen ist man einer Armee von Reißverschlüssen ausgeliefert. Spätestens nach zwei Wochen beginnen die ersten, ihren Dienst zu quittieren. Sie gehen dann vor dem Zipper brav zu und hinter dem Zipper völlig respektlos wieder auf.
    Ich schäume! Der Hund kann nichts dafür.

    Sainte-Croix-du-Verdon / 13. Juli / 10:58 / 22,0° C / Steine beschimpfen
    Luna hat Zoff mit Steinen, vorzugsweise mit solchen, die tief im Wasser liegen. Die kratzt sie mit den Tatzen ins Seichte.
Wenn sie endlich dort angelangt sind, holt sie tief Luft, steckt den Kopf in den See und fischt sie heraus. Die Größe des eroberten Steins bestimmt den Radius der Präsentationsrunde am Strand. Je schwerer der Brocken, desto größer der Kreis und stolzgeschwellter die Brust. Danach wird der Stein abgelegt und mit den Pfoten wieder zurück ins Wasser geschoben.
    Während des gesamten Vorgangs – vom Entdecken des Steins über das Kratzen, Tauchen und Herausfischen bis zum Zurückschieben und Versenken – knöttert und meckert und motzt dieser Hund so laut, dass über kurz oder lang der halbe Strand aufmerksam wird und einen langen Hals macht. Luna beschimpft den Stein.
    Sie schäumt! Der Mistral kann nichts dafür.

    Sainte-Croix-du-Verdon / 18. Juli / 22:35 / 21,0° C / Gedanken unter dem Mistral
    Während des Mistrals herrschen tagsüber Temperaturen, die signifikant unter dreißig Grad liegen. Eine Zusammenfassung der Vorfälle der vergangenen neun Tage:
    Luna denkt: Das ist aber schön kühl.
    Der betagte Basset oben aus dem Dorf denkt: Was hat denn die blöde Kuh aus Deutschland auf einmal? Der Streuner unten aus dem Dorf denkt: Warum lässt misch die Zickö nischt mehr an ihren knackigen derrière ?
    Der belgische Monsieur und sein Spaniel