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Herren der Tiefe

Herren der Tiefe

Titel: Herren der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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eine
der
zahllosen Lücken in der Stadtmauer heranschob und hindurchspähte. Von weitem hatte er sie für eine Art Festung
gehalten, wuchtig und kompakt, aber nicht viel größer als die
Stadt, in der Denholm und das Volk lebten. Aber das stimmte
nicht. Die riesige Wand, die sich vor ihm scheinbar bis in den
Himmel erhob, war eine Stadtmauer, hinter der sich ein wahres
Labyrinth von Häusern, Türmen und sonderbaren, ineinanderverschachtelten Gebäuden erstreckte. Ihr Alter mußte
unvorstellbar sein, und die Zeit hatte ihre Spuren darin hinterlassen:
Hier gähnte eine Öffnung, durch die die NAUTILUS hätte hindurchfahren können, da ein Riß, der von weitem nur wie eine
dünne Linie ausgesehen hatte, aber reichte, ihn bequem passieren zu lassen, dort war ein Loch hineingebrochen, als hätte
jemand mit einem gigantischen Hammer auf die Wand eingeschlagen. In die Stadt hinein zukommen war nicht das Problem.
    Aber wie um alles in der Welt sollte er André in diesem Irrgarten finden? Wenigstens war von den unheimlichen Bewohnern
der Stadt nichts zu
sehen – die schwarzen Straßen lagen wie
ausgestorben vor ihm, nirgends war Bewegung, nirgends Leben. Trotzdem hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden.
    Einen Moment später wurde aus diesem Gefühl Gewißheit,
denn er hörte ein leises Rascheln, und dann tauchte ein schwarzer, struppiger Schatten neben ihm auf.
    »Astaroth!« murmelte Mike überrascht. »Was machst
du
denn hier?«
Das frage ich mich auch, antwortete der Kater spöttisch. Wahrscheinlich das, was ich in letzter Zeit andauernd tun muß –
ich helfe dir aus der Patsche.
Die Situation war zu ernst, als daß Mike Zeit damit verschwendet hätte, auf Astaroths herablassenden Ton einzugehen.
Er war erleichtert wie selten zuvor, den Kater zu sehen. »Was
ist mit der NAUTILUS?« fragte er. »Haben sie sie flottbekommen?«
Selbstverständlich, antwortete Astaroth. Mit dem Ersatzkristall war es gar kein Problem. Ich soll dir sagen, daß sie in
genau einer Stunde hier sind. Serena wird vor Wut explodieren,
wenn sie ihr Schiff davonfahren sieht. Schade, daß ich nicht
dabeisein kann, um den Anblick zu genießen.
Mike wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Stadt zu, und
erneut machte sich ein Gefühl von Mutlosigkeit in ihm breit. Die
Stadt schien jedesmal größer zu werden, wenn er hinsah. Mike
schätzte, daß sich in diesem Labyrinth einige zehntausend Menschen verstecken konnten, ohne daß er eine Chance hätte, sie zu
finden.
Stimmt, sagte Astaroth in fast fröhlichem Ton. Wenn du mich
nicht hättest, wärst du aufgeschmissen – aber das kennen wir ja
schon.
»Soll das heißen, du weißt, wo er ist?« fragte Mike.
Nein, antwortete Astaroth. Aber ich weiß, wo der Alte ist. Ich
habe die Gedanken der Beklop… na, du weißt schon, gelesen.
Und ich verwette mein linkes Auge, daß André und das blonde
Menschenjunge auch dort sind.
Astaroth hatte kein linkes Auge, was seinen Worten
nicht
gerade viel Überzeugungskraft gab, aber Mike war von sich
aus schon zu dem gleichen Schluß gekommen wie der Kater.
»Und wo?« fragte er.
Es gibt ein großes Gebäude genau im Zentrum der Stadt, erwiderte Astaroth. Es sieht aus wie eine Pyramide. Dort drinnen
ist er. Er huschte zwischen Mikes Beinen hindurch und trat
durch die Öffnung in der Stadtmauer. Kommst du mit, oder
ziehst du es vor, mich allein die ganze Arbeit tun zu lassen?
Mike hätte das in diesem Moment tatsächlich liebend gerne
getan. Alles in ihm sträubte sich dagegen, dem Kater zu folgen.
Die bloße Nähe der Stadt erfüllte ihn mit Unbehagen, und der
Gedanke, sie zu betreten, mit purer Angst. Von weitem hatte
die Stadt unheimlich und düster gewirkt, aber aus der Nähe
war sie ein zu Stein gewordener Alptraum. Die vorherrschende
Farbe war Schwarz, aber es war ein Schwarz von einer Tiefe, die
etwas in ihm zu berühren und zum Absterben zu bringen schien.
Die Architektur war fremd und furchteinflößend. Manche der
Gebäude, an denen sie vorüberkamen, sahen beinahe normal
aus, andere wiederum waren kaum als Häuser zu erkennen,
sondern schienen vielmehr etwas Lebendiges zu sein. Die Welt,
durch die sie sich bewegten, folgte auch nicht der gewohnten
Geometrie. Alle Linien und Winkel stimmten irgendwie nicht,
und jeder Fußbreit Boden strahlte ein Gefühl der Fremdartigkeit
aus, das Mike schaudern ließ. Diese Stadt war nicht von Menschen errichtet worden, und vor allem: Sie war nicht für Menschen errichtet worden. Mike begriff

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