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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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sein Zigarillo, die Manschettenknöpfe, der zweireihige Anzug. Er ersparte ihr Komplimente und auch seine gefürchteten Witze blieben aus, die für ihre außerordentliche Länge und Pointenlosigkeit berühmt waren.
    »Nicht dafür. Möchtest du noch einen Kaffee? Es gibt noch einen Punkt, den ich gern mit dir besprechen möchte.«
    »Gern.« Während sie sich wieder setzte, hob er einen Telefonhörer ab und sprach in verändertem Tonfall. »Frau Maus, können Sie mal eben?«
    Wenige Sekunden später stand die Frau, die Evelyn empfangen hatte, in der Tür.
    »Zwei Kaffee noch mal.« Sie nickte, machte auf dem Absatz kehrt. »Ach Frau Maus, richten Sie dem Gärtner aus, er möchte seine Rasenspielchen doch bitte später veranstalten. Es gibt Leute, die müssen noch arbeiten.« Evelyn hielt die Luft an. Du bist eben doch ein arroganter Schnösel, dachte sie bei sich. Einen Augenblick später verstummte der Lärm. Er schloss beseelt die Augen. Stille. Plötzlich nahm sein Gesicht wieder einen anderen Ausdruck an.
    »Evelyn, wie du weißt, hat die Polizei ja auch deine Wohnung durchsucht.«
    »Wie bitte? Nein, das weiß ich nicht.«
    »Hat dein Mann dir nichts gesagt? Es lag ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vor, als du, na du weißt schon, nicht ansprechbar warst.«
    »Bitte was? Das ist doch nicht dein Ernst.«
    »Aber ja. Er hat dir nichts erzählt? Die Polizei war auf der Suche nach Verbindungen zu der Tat. Natürlich müssen die sich dafür interessieren, warum es zu dieser Zahl an Delikten kam, was die Hintergründe sind. Dein Mann war dabei, hat das gewissermaßen überwacht.«
    Gedanken fegten ihr durch Kopf. Was hatten sie alles angefasst, ihre Wäsche, ihre privaten Sachen. Sie überlegte fieberhaft, ob sie etwas von Roberto aufbewahrte. Wenn ja, was? Manches Mal hatte er Kleidungsstücke vergessen, selbst sein Handy und seine Geldbörse hatte er einmal liegen lassen.
    »Evelyn, du siehst schlecht aus. Geht es dir nicht gut?«
    »Ob es mir nicht gut geht?« Sie explodierte förmlich. Wie ein Tier sprang sie auf. »Doch, natürlich, bestens! Ich habe ja nur gerade … so eine Scheiße!« Wusste Holger, dass sie ihn betrogen hatte und schonte er sie nur? Er musste alles aufgeräumt haben. Was nach dem schrecklichen Tag im Einzelnen in ihrer Wohnung passiert war, darüber hatte sie sich bislang noch keine Gedanken gemacht. Mit jeder Faser ihres Körpers spürte sie die Anspannung steigen. Sie taumelte. Ihre Ehe war im Eimer. Nicht zu wissen, ob er von ihrem Doppelleben wusste. Das würde sie nicht aushalten. Sie würde ihm die Affäre mit Roberto beichten müssen. Oh Gott, wenn sie an Roberto dachte, sich sein Gesicht vorstellte, sein Lachen und sich seine verdammten Vogelsprüche in Erinnerung rief, dann krampfte sich ihr Herz zusammen. Es war ihre Schuld, er könnte noch leben, verdammt noch mal. Alles drehte sich. Evelyn brach in Tränen aus.
    »Bitte, Evelyn. Beruhige dich!« Jan Olaf tastete vorsichtig an ihre Schulter. Er näherte sich ihr weiter und flüsterte: »Es ist vorbei, du brauchst keine Angst mehr zu haben. Henning Schwarck ist tot. Es ist aus. Aus und vorbei.«
    »Ja«, schluchzte sie und befreite sich von seiner Nähe, »mein ganzes Leben ist aus und vorbei. Ich hab es versaut.«

Pirat

    Gertrud Landgräfe war keine schöne Frau, und ihren Mangel an physischen Reizen wusste sie durch allerlei modische Accessoires zu unterstreichen. Ihre Motiv-Strumpfhosen waren berüchtigt, ihre Frisuren deuteten auf das entschlossene Handeln wagemutiger Friseurinnen, die ohne Ansehen der Person Trends aus Modezeitschriften am lebenden Objekt ausprobieren. Heute trug Gertrud Landgräfe eine nach allen Seiten strebende Explosion aus Farbe auf dem Kopf, während ihr schwarz-weiß gewürfeltes Kostüm bei längerer Betrachtung in Trance versetzen konnte.
    Evelyn allerdings, die ihr gegenübersaß, geriet nicht in Rauschzustände, sondern wurde sich ihrer eigenen desolaten Optik bewusst. Um den Kopf trug sie ein Tuch. Das sah zwar lächerlich aus, aber ohne Kopfbedeckung mochte sie sich noch nicht in der Öffentlichkeit zeigen. Unter dem Tuch trug sie eine Art negativen Irokesenschnitt, seit ihr im Krankenhaus zum Klammern der Wunde ein Großteil des Stirn- und Haupthaars abrasiert worden war. Mittlerweile waren die Klammern entfernt und die Haare ein wenig nachgewachsen, aber noch immer sah sie aus wie ein Cockerspaniel, und es würde Wochen dauern, bis ein Friseur sinnvoll Hand an sie würde legen

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