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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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an. »Ich dachte, Leib und Leben …«
    »Unsere Zeitung muss auch gelesen werden. Mein Leib und Leben sind mir schließlich auch etwas wert. Was meinst du, wie mir die ganze Angelegenheit um die Ohren gehauen wird?« Das Raue in seiner Stimme vorhin, es war offenbar doch Ärger gewesen.
    »Die Chefredaktion?«
    »Almstätter? Nein, der doch nicht.«
    »Warum regst du dich dann so furchtbar auf? Ich hätte wirklich draufgehen können.« Gregor begann, seinerseits wütend zu werden.
    Jürgen kramte in seiner Aktentasche und knallte einen ausgedruckten Beitrag von  Ostsee-Today  auf den Tisch. Rauchschwaden über dem Verwaltungsgebäude des Zoos. Fotos der toten Affenfrau. Über den grausamen Verletzungen spärliche schwarze Balken wie zu klein geratene Bikinis. Und in großen Buchstaben: »Katastrophe im Zoo.«
    Gregor ließ sich auf einen der Sessel fallen.
    »Die Konzernleitung in Minden spielt verrückt. Die bekommen heute Morgen diese Top-Geschichte in die Hände. Und bei uns? Nichts! Wir hätten die Story in sämtlichen Portalen und den Printausgaben der  Nordnews -Gruppe bringen können. Die Konzernleiter im fernen Nordwesten hätten wieder gewusst, warum sie nicht in Mecklenburg-Vorpommern leben. Sogar die Holländer hätten bei dieser Story neidisch über die Grenze geguckt. Kapierst du?«
    »Wir haben einen gut recherchierten Artikel über illegalen Tierhandel. Mit regionalen Bezügen …«
    »Recherche brauchst du, wenn du keine Story hast«, sagte Jürgen. »Ein Brand mit Verletzten, exklusive Bilder des Affen, da können wir mit unseren Mutmaßungen nach Hause gehen. Bei  Ostsee-Today  bricht fast der Server zusammen.«
    »Mensch, das ging aber nicht anders gestern Abend, die Sanitäter haben mich sofort einkassiert. Und außerdem: Mir ging es wirklich mies. Hattest du schon mal eine Rauchvergiftung?«
    Jürgen setzte sich.
    »Jetzt ist es sowieso zu spät.«
    Er schob seine Blätter mit den Notizen zusammen. Jürgen konnte cholerisch werden, aber er war nicht nachtragend, dafür hatte er keine Zeit. »Ich habe ein Gedächtnis wie ein Elefant: ein schlechtes«, sagte er manchmal. Oder: »Der Kuh ist es egal, ob das Gras, das sie gerade frisst, gewachsen ist. Hauptsache, es ist da, wenn sie das Maul aufreißt.« Oder: »Die Top-Story von heute steht morgen auch nur noch in der Zeitung von gestern.« »Ich muss jetzt was essen«, meinte der Redaktionsleiter nun. »Kommst du mit? Ich lad dich ein, du Versehrter.«
    Sie gingen nicht in die Kantine, weil Jürgen den Blicken der versammelten Kollegen entgehen wollte, sondern in den Rosengarten, wo es die seiner Meinung nach beste Currywurst der Stadt gab.
    Gregor und Jürgen schlenderten über die Ampelkreuzung, quer durch die Parkanlage zu dem Imbiss, einer winzigen Baracke aus Sauerkrautplatten, die unzählige Male von Sprayern übersprüht worden waren.
    »Guten Abend Moni! Eine Currywurst. Und weil sie so gut ist, nehme ich zwei. Und du?«, wandte sich Jürgen an Gregor.
    Der studierte die Karte: Ein von einer Cola-Marke spendiertes Schild mit Bildern, die die verschiedenen Mahlzeiten idealtypisch zeigen sollten. Fleisch mit Pommes. Fleisch mit Kartoffelsalat, Fleisch mit Brot, Fleisch mit Fleisch. Der Werbeträger jedoch war ausgeblichen, als hätte er jahrelang in der Wüste gehangen. Das Fleisch auf den Bildern war blau geworden, die Beilagen hellgelb wie alte Urinflecken in weißen Unterhosen.
    »Haben Sie etwas Vegetarisches?«
    »Na klar«, sagte Moni. »Salat mit Hähnchenbruststreifen.«
    »Den nehme ich«, antwortete Gregor resigniert.
    »Vegetarisch? Was soll das denn werden?«, fragte Jürgen.
    »Willst du die lange oder die kurze Antwort?«
    »Lieber die kurze, ich muss gleich wieder in die Redaktion.«
    In Monis Kabuff fauchte feindselig das Frittierfett, als sie in einer Art Fahrradkorb Jürgens blasse Würste in die kochend heiße Brühe senkte. Dann sah Gregor, wie sie eine Tüte aus Klarsichtfolie aufriss und etwas, das nach bunter Salatmischung aussah, auf einen Pappteller schüttete. Er bereute seine Wahl.
    »Fleischkonsum ist nicht gut für die Tiere. Massenhaltung. Rinder, Schweine in viel zu kleinen Ställen unter schlimmen Bedingungen. Schlachtungen wie im Horrorfilm. Lebende Tiere werden entbeint. Die Wahnsinnsherden in den USA produzieren Massen von Kohlendioxid. Und dann der Transport, Lkws auf der Straße. Außerdem: Fleisch ist nicht gut für die Psyche. Fleisch macht böse.«
    »Wir sind in Mecklenburg, hier sind die Viecher

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