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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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gelegt?«
    »Sie hatte einen Komplizen«, behauptete Jürgen.
    Drüben auf dem Gehweg hatte die Baumwollfrau das schreiende Kind am Arm gepackt und zerrte es als zappelndes Bündel zu ihrem Wagen. Ein Mercedes-Geländewagen, der wie ein fieses Insekt in seiner Parklücke direkt am Imbiss hockte.
    »Kann ich mir nicht vorstellen.« Gregor klang nicht besonders überzeugend.
    »Läuft da was zwischen euch?« Jürgen grinste. »Gregor, du hast Familie«, sagte er mit gespielter Strenge.
    Gregor schwieg. Jürgen musste nicht alles wissen. Der Benz fuhr hochtourig und langsam in Richtung Ampel.  Tristan fährt mit  stand auf dem Heck.
    Jürgen hatte seine darmlosen Würste vertilgt, Gregor immerhin ein Drittel des Salats geschafft. Sein Toastbrot hatte er nicht angerührt. Jürgen steckte sich eine Zigarette an. In das Rauschen der Straße mischten sich Gitarrenklänge. Lagerfeuerromantik. »Stairway to Heaven«, sagte Gregor. Jürgen fuhr zusammen und fingerte eilig mit der freien linken Hand in seiner rechten Jackentasche herum. »Mein neuer Klingelton«, erklärte er.
    Als er das Gerät gefunden hatte, klappte er es auf. Die Musik brach ab, Jürgens Lächeln verschwand. Er sog mit zerfurchter Stirn an der Zigarette. »Wir kommen.« Jürgen klappte das Telefon zusammen. Er sah Gregor an. »Es ist schon wieder etwas passiert.«

Lust

    Evelyns Mobiltelefon surrte. Sie griff nach dem Gerät. Jeanette war schneller.
    »Jetzt nicht telefonieren.« Sie hielt das Handy so, dass Evelyn es nicht erreichen konnte.
    »Das ist Grieshaber, das ist vielleicht wichtig.« Evelyn war den Tränen nah.
    »Der hat dich heute schon dreißig Mal angerufen, das muss jetzt warten.«
    Evelyn legte den Kopf auf das Lenkrad. »Ich kann das nicht. Ich schaff das alles nicht«, sagte sie mit erstickter Stimme.
    Jeanette zog sie zu sich. »Unsere Nerven liegen blank. Aber wir müssen da jetzt durch. Es war richtig, dass wir nicht die Polizei eingeweiht haben. Und es ist richtig, dass wir hier sind. Also lass es uns jetzt zu Ende bringen.«
    Evelyn seufzte und drückte sich die Handballen auf die Augen. »Also gut.«
    Sie stiegen aus. Evelyn nahm eine Plastiktüte von der Rückbank und sah hinein. Geldscheinbündel lagen darin ungeordnet wie ein Haufen rechteckiger Bauklötze. Evelyn stopfte die Tüte in ihre Umhängetasche und schlug die Tür zu. Sie sah sich um. Anfangs hatte sie sich über den Treffpunkt gewundert. Knochenberg. Mitten in der Stadt. Jetzt aber musste sie feststellen, dass ihre Erinnerung an diese Gegend mehr als zwanzig Jahre alt war: Wo früher Autos gefahren und Menschen zur S-Bahn gestolpert waren, da herrschte jetzt völlige Abgeschiedenheit. Die Straßen führten ins Nichts, die Gebäude standen leer, die Fenster waren eingeschlagen, die Gehwegplatten waren aufgebrochen, junge Birken wuchsen durch das Pflaster.
    »Wer auch immer dieser verrückte Erpresser ist, er kennt sich in Rostock aus«, sagte Jeanette. »Wenn man in dieser Stadt einen Krimi spielen lassen wollte, dann hier.«
    »Wir sind mittendrin in einem Krimi. Vergiss das nicht.« Evelyn sah zu Jeanette hinüber. Dass sie vergangene Nacht fast gegrillt worden war, sah man ihr nicht an. Sie lehnte am Wagen, die Arme verschränkt. Perfekt geschminkt, perfektes Haar. Die Röhrenjeans fast ein bisschen zu eng, die Schuhe fast ein bisschen zu hoch.
    »Ich glaub, es geht los«, sagte Jeanette.
    Evelyn drehte sich um. Ein mittelalter Mann steuerte direkt auf sie zu. Weiche, unmoderne Lederjacke. Kragen überm Pullover. Dunkle Stoffhose.
    »Sieht aus, als hätte er sich für uns herausgeputzt«, flüsterte Evelyn.
    »Ja, aber er hat sich im Jahrzehnt geirrt«, antwortete Jeanette.
    Der Mann kam näher und blieb schließlich ein paar Schritte entfernt stehen.
    Sie sahen sich an. So ein Wicht, dachte Evelyn. Sie hatte eine andere Art von Mann erwartet. Groß, finster, gefährlich. Oder klein und fies und noch gefährlicher. Ein Phantom, dessen Gesicht nicht zu sehen ist, selbst wenn die Kamera ganz nah heranfährt. Aber der hier sah aus wie einer, der sein Pausenbrot auseinanderklappt und sich dann bei den Kollegen beschwert, dass seine Frau wieder den falschen Belag gegriffen hat. Jagdwurst statt Salami.
    »Bringen wir es hinter uns.« Evelyn nahm die Tasche von der Schulter.
    Der Mann kam vorsichtig näher.
    »Ich bin Dieter.«
    »Wer wir sind, wissen Sie ja wohl.«
    »Ich denke schon. Ich wusste nicht, dass ihr zu zweit …«
    »Wie geht es jetzt weiter?« Evelyn wäre

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