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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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herum zum Hauseingang, aus dem Feuerwehrleute und Polizisten herausgetreten waren. Ein Beamter mit Helm öffnete die Hecktüren eines dunkelblauen Kastenwagens, der neben einem aufgestellten Container direkt vor der Zooverwaltung parkte. Was folgte, waren ein Blitzlichtgewitter und Zwischenrufe; auf einer Bahre wurde eine abgedeckte Leiche zum Auto getragen.
    »Los komm, wir kämpfen uns zu den beiden durch«, sagte Jeanette, und für den Bruchteil einer Sekunde dachte Gregor an frühere Festivalbesuche. Er fragte sich, wie es mit dieser schönen Frau auf einem Konzert wäre. Neben ihm erblickte er Edzard Laumen von  Nord-TV . Mehr als zu einem kurzen Hallo kam er nicht, dann zog Jeanette ihn weiter, bis sie bei Evelyn Hammer und Henning Schwarck standen. Beide hätten nicht schlimmer aussehen können.
    »Evelyn?« Jeanette schloss ihre schluchzende Chefin in die Arme. Gregor sah Schwarck fragend an. Doch der registrierte ihn überhaupt nicht. Er zitterte. Angst, Trauer, Verzweiflung? Gregor konnte nicht deuten, was es war. Hinter ihm rief Laumen seinen Namen, er brüllte ein »Später!« zurück. Dazu machte er mit gespreiztem Daumen und kleinem Finger das internationale Zeichen für »Wir telefonieren«. Obwohl niemand mehr ein solch altmodisches Telefongerät mit einem derartigen Hörer besaß, nickte Edzard. Gregor drehte sich wieder zu Schwarck, doch der war verschwunden. Wohin nur? Ein Schrank wie er konnte sich doch nicht einfach in Luft auflösen. Verwundert wandte sich Gregor nach allen Seiten um.
    Als er sich mit Jeanette und Evelyn Hammer kurze Zeit später von der Journalistenmeute entfernt hatte, war es Gregor, der als Erstes sprach. Er hatte immer noch keine Ahnung, ob Bernd tatsächlich verhaftet worden war, und um wen es sich bei dem Toten handelte.
    »Darf ich fragen, ob Sie Näheres erfahren haben?«
    Evelyns Kinn, ihr ganzes Gesicht vibrierte. Ohne ein Wort zu sagen, schlug sie sich eine Hand vor den Mund und schüttelte nur den Kopf.
    »Es war ein Kollege und seit Jahren ein guter Freund von Evelyn,« raunte Jeanette. »Ein Vogelpfleger.«
    »Vogelpfleger? Der mit dem  Uhu Aha ?«
    »Richtig! Roberto Bendig.«

Tod

    Sie bemerkte ihren Irrtum erst zu Hause, als sie den Einkauf auspackte. In der Mittagspause hatte sie im Supermarkt fast blindlings in die Regale gegriffen, Normalität simulierend. Für den Abend hatte sie eine Flasche Rotwein mitgenommen, weil sie ahnte, dass sie eine brauchen würde. Jetzt stand sie in der Küche, der Einkauf war halb ausgepackt, und der Rotwein war – halbtrocken.
    Evelyn brach in Tränen aus. Sie hatte versucht, Haltung zu bewahren. Sie hatte sich selbst verboten, allzu große Regungen zu zeigen. Nicht in der Öffentlichkeit. Sie war als resolute Frau bekannt, als Macherin, als harte Hand im Zoo. Gerecht, aber unnachgiebig. Passiert war es doch. Als ihr klar wurde, dass Roberto auf einer Bahre an ihr vorbeigetragen wurde, war ihre Fassade kurz aufgebrochen. Dann hatte sie sich und ihre Trauer schnell wieder in den Griff bekommen und die nächsten zwei Stunden im Zustand einer Betäubung verbracht. Doch dazu bestand jetzt kein Grund mehr. Die Banalität der falschen Flasche, die Erinnerung an Roberto und das Bewusstsein um die Verstrickung in seinen Tod spülten alle Barrieren weg. Evelyn weinte wie noch nie in ihrem Leben. Immerhin, der Täter war gefasst worden. Ein offenbar geistesgestörter Reporter, der skrupellos war und über Leichen ging, um an Informationen zu gelangen, die sich versilbern ließen.
    Sie schleppte sich ins Wohnzimmer und warf sich aufs Sofa. Blatt um Blatt riss sie von der Küchenrolle. Vier Jahre war das mit Roberto gut gegangen. Vier Jahre Versteck spielen, lügen und vertuschen. Sie hatte sich daran gewöhnt. Sie hatte ihn nie wirklich an sich heran-, sich nie richtig auf ihn eingelassen. Eine neue Woge aus Schmerz und Trauer erreichte Evelyn. Am liebsten hätte sie aufgeschrien, aber sie gestattete sich auch jetzt nur ein tonloses, langes Schluchzen, obwohl sie allein war. In die Trauer mischten sich nagende Schuldgefühle.
    Evelyn musste reden. Aber mit wem? Jeanette gegenüber konnte sie sich nicht vollends öffnen. Dieser jungen, ehrgeizigen Frau hatte sie ohnehin schon viel zu viele Einblicke gewährt, manchmal erschreckte sie ihre kühle, berechnende Art. Es stimmte. Sie stand ihr von allen Kollegen des Zoos am nächsten. Aber Trost suchen? Nicht beim schönen Fräulein Albrecht.
    Sie sah sich in ihrem Wohnzimmer um. Riesige

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