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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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zuckte hilflos die Schultern.
    »Ich würde Ihnen empfehlen, die Unterlagen schnellstens in Ordnung zu bringen«, sagte Frau Plass. »Bevor wir die Hunde von der Leine lassen.«

Taxi

    Seit zwei Tagen waren jetzt Anita und Hans-Günther Schröder offiziell in Kenntnis darüber, dass ihre Tochter tot war. Sie mochten damit gerechnet haben, es sich immer wieder ausgemalt haben. Aber sie mochten auch gehofft haben, solange es keinen Beweis gab. Doch jetzt war es sicher. Die Tote im Zoo war Manuela Schröder. Vermisst seit August 1993.
    Gregor hatte sich aus dem Archiv Artikel besorgt. Ungeklärte Kriminalfälle in Mecklenburg-Vorpommern. Vermisste Personen der vergangenen dreißig Jahre. Seit die letzte Archivarin der  RAZ  in den Ruhestand gegangen war, hatte sich niemand mehr um das Archiv gekümmert. Nach aktuellen Ausgaben der letzten Jahre brauchte man jetzt nicht mehr zu suchen, weil nur noch sporadisch gesammelt wurde. Aber die alten Jahrgänge waren noch mustergültig. Bis auf ein paar fehlende Ausgaben, die offenbar jemand entliehen, aber nicht mehr zurückgebracht hatte.
    Gregor fand viel Material über das mysteriöse Verschwinden der Manuela Schröder. Doch er fand nicht genug, um sich zu beruhigen, um Gewalt über seine zitternden Hände zu bekommen und den Druck zu mildern, der auf seiner Brust lastete. Obgleich er sich am Ende eines hitzigen Telefonats wieder mit Madeleine versöhnt hatte, war seine Nacht furchtbar gewesen. Er hatte nicht gut geschlafen. Er hatte fast überhaupt nicht geschlafen, die ganze Wohnung lag voller Papiere, von denen Gregor nicht wusste, ob sie relevant für die Steuerprüfung waren oder nicht. Und als er am Morgen in die Redaktion gekommen war, hatte Jürgen ihn fröhlich mit guten Neuigkeiten empfangen. Die Analyseergebnisse von Rechtsmedizin und Polizei waren durchgesickert, es war bekannt, wer die »Tote unterm  Darwineum « war, wie sie tags zuvor getitelt hatten. Jürgen versuchte Gregor den Auftrag, sich mit den Eltern der jungen Frau zu unterhalten, als Top-Story zu verkaufen, für die jeder Journalist seinen linken Daumen geben würde. In Wahrheit riss sich niemand darum. Die Wahl war wieder mal auf ihn als den festen freien Herumschubsjournalisten gefallen, der ja ohnehin schon dran war an der Zoo-Geschichte.
    »Komm schon«, sagte Jürgen. »Ich kann doch keinen jungen Kollegen dorthin schicken. Da muss ein erfahrener Mann ran. Ein Vollblutjournalist. So wie du.«
    Gregor bedankte sich für die verbalen Blumen – hatte er so etwas nicht unlängst schon einmal gehört? –, bat sich aber aus, dass Jürgen mit ihm noch eine kleine Stärkung zu sich nehmen würde, bevor Gregor wieder ins Plattenbaugebiet radeln müsste.
    Sie gingen in den Rosengarten. Als Gregor an der Reihe war, bestellte er ohne zu zögern eine Currywurst, darmlos.
    »Und du Jürgen, wie immer?« fragte die Frau hinterm Tresen.
    »Wie immer, Moni«, sagte Jürgen. »Und nicht mit dem Spezialdressing geizen.«
    Gregor traute seinen Augen nicht, als Jürgen einen großen Pappteller mit Salat bekam. Das Grünzeug ertrank in roter Tunke.
    »Fleisch ist auch nicht mehr das, was es mal war. Seit wir diese Serie zur Bioernährung gemacht haben, ist mir der Appetit vergangen. Vor allem auf Schwein und Geflügel. Na, und dann hat Moni hier die Speisekarte umgestellt.« Jürgen gabelte in dem Salat herum und schob sich ein großes triefendes Salatblatt in den Mund. »Nur auf die Currysoße mag ich nicht verzichten«, sagte er mit vollem Mund. »Eigentlich hab ich die Wurst überhaupt nur wegen der Soße gegessen.«
    »Stimmt, die Soße ist einzigartig«, sagte Gregor und stocherte mit der angebissenen Wurst in der Tunke herum.
    »Bierchen?« rief Moni herüber.
    Jürgen schüttelte den Kopf.
    »Aber ich nehme eins«, rief Gregor. » M&O. «
    »Kommt sofort«, sagte Moni und öffnete zischend eine Flasche mit rotem Etikett.
    Gregor setzte sie an und trank sie zur Hälfte leer.
    »Ordentlichen Zug am Leib, der Junge«, sagte einer der Kerle, die immer am Imbiss herumlungerten.
    »Fährst du jetzt besoffen zu den Eltern des toten Mädchens?«, fragte Jürgen ungläubig.
    »Weißt du, wie aufgeregt ich bin?«, fragte Gregor zurück und setzte das Bier gleich noch mal an. Er merkte, wie sich die Anspannung ein wenig legte.
    »Ich verstehe dich ja«, sagte Jürgen. »Vor ein paar Jahren musste ich selbst zuletzt als Witwenschüttler ran. Eine junge Frau, die ihren Mann bei einem spektakulären Massencrash

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