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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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Kripo Rostock.«
    »Oh, ach ja«, Evelyn lachte verlegen auf, »ich hatte Sie erst gar nicht erkannt.«
    Die beiden Männer blickten sie an.
    »Na, ich meine, Sie trugen doch vorher Bart«, sagte sie. Dazu federte sie mit beiden Armen nach oben.
    »Warum machen Sie diese Bewegung, wenn Sie über Bärte reden?«, fragte Hauptkommissar Schwarz, den Protokollblock anhebend.
    Evelyn errötete und winkte ab. Sie hatte an die schnurrbärtigen Jahrmarkt-Gewichtheber in ihren gestreiften Leibchen denken müssen.
    Schwarz sah sie durchdringend an.
    »Sie hat aber auch etwas verändert … mit ihrer Frisur, nicht wahr?« Ein hämisches Grinsen huschte über sein Gesicht.
    »Das war jetzt geschmacklos«, sagte Jeanette, aus der Gruppe hervortretend.
    Behnke schob beide auseinander. »Sie hätten uns sofort verständigen müssen. Ich hoffe für Sie, dass Sie keine wichtigen Spuren vernichtet haben.«
    »Das steht in meiner Verantwortung, ich habe die Grabung veranlasst«, sagte Evelyn mit fester Stimme.
    »Haben Sie das Skelett bewegt?«
    »Nur den Schädel«, warf Gregor ein.
    »Ihr Wort in Gottes Gehörgang. So, bitte jetzt die Herrschaften da drüben beim Einsatzfahrzeug melden. Der Kollege nimmt die Personalien auf. Fürs Erste brauchen wir Sie hier nicht. Wir wissen ja, wie wir Sie bei Bedarf erreichen.«
    Sie folgten der Anweisung und gingen in Richtung Fundort-Pavillon. Kurz bevor Evelyn am dunkelgrünen Mercedes-Bus klopfte, rief eine Stimme: »Frau Hammer!« Alle drei drehten sich um. Behnke hielt zum Rufen eine Hand seitlich an den Mund.
    »Es war eine Wette.«
    »Wie bitte?«, Evelyn machte eine fragende Geste.
    Der Kommissar legte den Zeigefinger quer über die Oberlippe. »Der Bart. Wir haben eine Wette verloren.« Dann ahmte er mit zwei Fingern eine Schere nach, winkte kurz und verschwand im Unterstand.
    Jeanette sah ihm kopfschüttelnd hinterher. »Verdammte Freaks!«

Bein

    Behnke griff in die unsichtbaren Saiten seiner Luftgitarre und sang mit schnarrender Stimme: »Bada-bada, bada-bada!«
    Schwarz setzte ein und sang Falsett: »Singing in the sunshine, laughing in the rain …«
    Professor Leitmeyer sah ungläubig von einem zum anderen. Die beiden Polizisten bemerkten es und verstummten.
    » Led Zeppelin «, sagte Schwarz.
    »Schöne Akustik hier in der Pathologie«, sagte Behnke entschuldigend. »Bisschen mit Hall. Wie ein Gotteshaus.«
    »Wohl eher wie ein Beinhaus«, sagte Rechtsmediziner Leitmeyer. »Ich wünschte mir, Sie würden sich in Anwesenheit Verstorbener etwas zurückhaltender benehmen.«
    »Welche Verstorbenen denn?«, fragte Schwarz.
    »Diese Verstorbene«, sagte Leitmeyer und hob mit einem Schwung das grüne Tuch von dem massiven Tisch vor ihm. Gregors Hand krampfte sich um seinen Kugelschreiber. Leitmeyer hatte die Knochen zu einem makellosen, vollständigen Skelett drapiert. Allein der Schädel lag auf seiner Unterseite, sodass es aussah, als sei der Person das Kinn auf die Brust gesunken, dachte Gregor, oder besser: hinter die Brust. Der Schädel grinste durch die Rippen hindurch.
    »Der besteht ja man nur noch aus Haut und Knochen«, sagte Behnke. Schwarz stieß ihn mit dem Ellenbogen an.
    »Im Grunde genommen sind es nur noch Knochen, von ein paar einzelnen Hautpartikeln mal abgesehen«, sagte Leitmeyer. »Im Übrigen handelt es sich nicht um einen Er, sondern um eine Sie, wie unschwer an den Beckenknochen zu erkennen ist.«
    Gregor dachte an die Skelette, die sie während der Schulzeit verunstaltet hatten. Sie hatten Zigaretten zwischen die Kiefer geklemmt, den Schädeln Mützen und Sonnenbrillen aufgesetzt, die Arme und Hände zu obszönen Gesten drapiert und die Biologielehrerin, Frau Kattke, damit bis zur Weißglut geärgert. Aber die Skelette damals waren aus Kunststoff gewesen, und dieses hier war echt. Gregor betrachtete die dunklen Gebeine, während Leitmeyer demonstrativ mit der Pinzette etwas Schwarzes, Trockenes vom Oberarmknochen zupfte. Es sah aus wie ein vermodertes Blatt.
    »Ein Stück Haut.« Leitmeyer und ließ das  Blatt  in ein Kunststoffbeutelchen gleiten. Gregor stieg der Geruch von Waldboden, erdiger Fäulnis und etwas Undefinierbarem in die Nase. Sein Hals schnürte sich zu, er bemerkte einen leichten Würgereiz und wandte sich ab.
    »Wie alt ist sie denn?«, fragte Schwarz.
    »Wenn Sie meinen: wie alt war die Person zum Zeitpunkt des Todes, dann würde ich ihnen vorläufig antworten: etwa zweiundzwanzig, dreiundzwanzig Jahre. Wenn Sie mich fragen, wie lange sie im

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