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Herrgottswinkel

Herrgottswinkel

Titel: Herrgottswinkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Ziegler
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Daniel nun unter den Pantoffel kommen sollte. Es war ein schöner, sonniger Tag und Daniel ging mit Anna nach dem Gottesdienst nicht nach Hause. Sie fuhren mit Annas Eltern und den Brüdern hinten auf dem Heuwagen, der mit Decken ausgeschlagen war, zu Annas Elternhaus nach Bolsterlang. Jetzt waren alle hungrig und vor allem durstig. Es gab eine deftige Brotzeit und dann wurde es für Daniel schon wieder Zeit, den Heimweg zu Fuß anzutreten. Der Vater erlaubte keine weitere Nacht mehr im Haus. Was würden die Nachbarn sagen. Es wurde sowieso schon gemunkelt, dass Anna in guter Hoffnung sei, weil es mit der Heirat so schnell gehen sollte. Anna begleitete ihren Liebsten noch bis Kierwang, dann musste er, nach einer zärtlichen Verabschiedung, alleine weiter.
    »Wohin so eilig?«, riss ihn völlig unerwartet eine Stimme aus seinen Gedanken, als er in Tiefenbach an Hennes Hof vorüberging. Zugleich spürte er eine Hand auf der rechten Schulter. Daniel drehte sich abrupt um und blickte in das rußgeschwärzte Gesicht seines ›Jagdkumpans‹. »Komm mit, der Bocker wartet oben am Bildstöckle schon auf uns.«
    »Lass mich in Ruhe, macht ihr das doch alleine«, erwiderte Daniel schroff und wandte sich ab. Aber Henne rannte ihm hinterher und versuchte, ihn die Anhöhe hinauf zu dem Bildstock mit sich zu ziehen. Dabei beschimpfte er Daniel unentwegt als Verräter an der gemeinsamen Sache, bis dieser sich gezwungen sah, sein Verhalten zu erklären. »Nichts verstehst du, Henne, gar nichts! Anna bekommt im März ein Kind von mir. Meinst du, ich will es nur vom Gefängnis aus groß werden sehen?«
    Zuerst herrschte Stille, dann unternahm Henne einen neuen Anlauf. »Und ein Versprechen, das du Freunden gegeben hast, zählt das etwa nichts mehr? Unsere Ziele will ich erst gar nicht ins Spiel bringen, auf die wir alle zusammen einen heiligen Eid geschworen haben! Die Armut, die wir einmal bekämpfen wollten, wird immer größer, wohin man auch schaut, in den Häusern hungern die Kinder, in den Dörfern hocken die Bettler an den Ecken. Und du wagst es, wegen eines noch ungeborenen Kindes unserer ernsten Sache abzuschwören? Erst gestern sind in Imberg und Luibisch mehrere Kinder gestorben, nur weil kein Geld für einen Doktor, geschweige denn für die benötigte Medizin mehr im Beutel war. Und du wagst es, wegen eines möglichen Gefängnisaufenthalts deine Augen und dein Gewissen davon abzuwenden? In den Wäldern holzen sie schon das wertlose Gestrüpp ab, weil sie sonst im nächsten Winter frieren, viele von ihnen sogar erfrieren werden, denn für vernünftiges Feuerholz ist schon lange kein Heller übrig. Und du wagst es, nur an dich und dein eigenes Glück zu denken! Was hat dieses Frauenzimmer bloß aus dir gemacht? Ich kann es dir sagen: einen Waschlappen, einen jämmerlichen Waschlappen und Wortbrecher.«
    Der Faustschlag traf Henne völlig unerwartet, Daniel lag bereits auf ihm und gemeinsam rollten sie ineinander verkeilt und einander umklammernd die Anhöhe hinunter. Unten angekommen blieben sie heftig keuchend auf dem Rücken liegen und starrten wortlos in den Himmel, dann fingen beide plötzlich lauthals zu lachen an, sie konnten gar nicht mehr auf hören damit.
    »Natürlich helfe ich euch – bis zur Hochzeit. Danach muss Schluss sein, auf immer. Auch andere Versprechen gelten!« Gemeinsam gingen die Freunde bis zur Weggabelung zwischen Bildstock und Breite. »Wir treffen uns dann an dem Heustadel linker Hand vor dem Grenzübergang zum Rehbach. Bis heute Nacht.« Mit diesen Worten verabschiedete sich Henne und überließ Daniel wieder seinen Gedanken.
    Als Daniel zu Hause ankam, waren bereits alle zu Bett gegangen. Leise nahm er sich eine Kerze aus der Stube mit und verschwand auf dem Klohäuschen hinter dem Haus. Niemand würde dort das Versteck für seinen neuen Stutzen vermuten. Er holte die Einzelteile unter dem Gebälk hervor und setzte sie sorgfältig zusammen. Dann machte er sich auf den Weg über den Hirschberg und von dort ins Tirol.

VIERTES KAPITEL
    Heute Nacht würde er nicht zu Bett gehen. Heute Nacht wollte er alleine sein und sein Glück voll auskosten. Während er strammen Schrittes durch den Wald ging, schwärzte er noch sein Gesicht mit Ruß, den er sich schon letzte Woche auf einen alten Leinenlappen geschmiert hatte. Es war eine kühle und klare Septembernacht. Die Sterne am Himmel und der Mond leuchteten ihm den Weg.
    Nur bis zur Hochzeit wollte er seinen alten Freunden helfen, nur bis sie einen

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