Herrin der Falken
Man braucht sie nur vom Ei an aufzuziehen und ihnen warmes Futter zu geben. Dann tun sie, was man will. Sie folgen Wildfährten nach der im Boden verbliebenen Wärme, und sie sind großartige Wächter, denn bei jedem fremden Geruch kreischen sie fürchterlich.«
Jetzt erschauerte Romilly wirklich. Diese großen, blinden, flugunfähigen Fleischfresser als Wachposten! Sie fragte: »Wer braucht ein Banshee dazu, wenn ein guter Wachhund ebenso nützlich und viel angenehmer als Hausgenosse ist?“
»Das will ich nicht bestreiten«, antwortete Alderic. »Ich persönlich würde lieber den Hohen Kimbi mit bloßen Füßen besteigen, als versuchen, ein Banshee zu trainieren. Möglich ist es jedoch. Ich kann nicht einmal mit Kundschaftervögeln umgehen; ich besitze die Gabe nicht. Aber einige der Frauen meiner Familie tun es, und ich habe im Turm erlebt, daß man sie für die Feuerwache einsetzt. Ihre Augen sehen weiter als die eines Menschen.« Von neuem erklang leise Musik, und er fragte: »Möchtest du diesen Tanz tanzen?“
Romilly schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht, danke – es ist warm, wenn die Sonne so hereinscheint.«
Alderic verbeugte sich vor jemandem hinter ihr. Romilly drehte sich um und entdeckte ihre Stiefmutter. Luciella mahnte: »Romilly, du hast noch nicht mit Dom Garris getanzt!“
Verächtlich erklärte sie: »Es sieht ihm ähnlich, daß er sich bei meiner Stiefmutter beschwert, statt wie ein Mann zu kommen und mich selbst zu fragen.«
»Romilly! Er ist Erbe von Scathfell!«
»Mir ist es gleichgültig, ob er Erbe der Treppe im Wolkenland oder von Zandrus neunter Hölle ist. Wenn er tanzen möchte-«, begann sie. Da tauchte Dom Garris hinter Luciella auf und fragte mit seinem plumpen Lächeln: »Wollt Ihr mir die Ehre eines Tanzes erweisen, Mistress Romilly?«
Es gab keine Möglichkeit, ihn abzuweisen, ohne geradeaus unhöflich zu werden. Er war Gast ihrer Eltern, obwohl er ihrer Meinung nach mit den Frauen seines Alters hätte tanzen können und nicht nach den jungen Mädchen zu gaffen brauchte. Romilly ließ es zu, daß er ihr die Hand aufs Handgelenk legte und sie auf die Tanzfläche führte. Schließlich konnte er unter den Augen ihres Vaters und ihrer Brüder und sämtlicher Nachbarn nicht gut etwas Unschickliches sagen oder tun. Seine Hand fühlte sich unangenehm feucht an, aber Romilly sagte sich, dafür könne er wahrscheinlich nicht.
»Ihr seid ja leicht wie eine Feder auf Euren Füßen, Damisela – ganz die junge Lady! Wer hätte das heute morgen gedacht, als ich Euch in Stiefeln und Hosen erblickte! Ich vermute, sämtliche Burschen der Gegend stellen Euch nach, he?«
Romilly schüttelte stumm den Kopf. Sie verabscheute die Art, wie er redete. Mallina allerdings hätte mit Kichern und Erröten darauf reagiert! Als der Tanz zu Ende war, bat er sie um den nächsten. Romilly lehnte höflich ab und behauptete, Seitenstechen zu haben. Dom Garris erbot sich, ihr ein Glas Wein oder Shallan zu holen, worauf sie entgegnete, sie habe nur den Wunsch, sich zu Darissa zu setzen. Ein Weilchen leistete er ihnen Gesellschaft und bestand darauf, Romilly zu fächeln. Glücklicherweise stimmten die Musiker einen neuen Kreistanz an. Das ganze junge Volk strömte zusammen, lachte und warf bei den wilden Sprüngen die Fersen hoch. Schließlich ging Dom Garris verdrießlich weg, und Romilly atmete auf. »Du hast noch eine Eroberung gemacht«, neckte Darissa sie. »Das glaube ich nicht. Wenn er mit mir tanzt, ist das, als schnappe er sich ein Scheuermädchen; er kann es sich erlauben, ohne damit eine Verpflichtung einzugehen«, höhnte Romilly. »Die Aldarans von Scathfell stehen zu hoch, um in unsern Clan einzuheiraten, ausgenommen ihre jüngeren Söhne. Vater sprach einmal davon, mich mit Manfred Storn zu verloben, aber er ist noch keine fünfzehn, und es eilt ja nicht. Doch obwohl ich nicht hoch genug zum Heiraten stehe, bin ich zu wohlgeboren für ihn, als daß er mich straflos verführen könnte, und ich kann ihn dazu auch nicht gut genug leiden.« Lächelnd setzte sie hinzu: »Das Schlimmste an einer Verbindung mit Cinhil, sollte er um mich anhalten, wäre es, daß ich dies große fette Faultier Bruder nennen müßte. Andererseits wäre er dann gezwungen, verwandtschaftliche Rücksichten zu nehzu. »Als ich im letzten Jahr mit dem kleinen Rafael schwanger war, kam er zu mir und sagte, da ich bereits ein Kind trüge, brauchte ich keine peinlichen Folgen zu fürchten. Ich verbat mir solche Reden, und da
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