Herrin der Falken
fünfzehn; ihre jüngere Schwester Mallina hatte bereits begonnen, das Haar wie eine Frau mit einer Schmetterlingsspange aufzustecken. Mallina war es zufrieden, Zierstiche zu lernen, sittsam im Damensattel zu reiten und mit kleinen dummen Schoßhunden zu spielen, statt sich mit den vernünftigen Hüte-und Arbeitshunden rund um die Weiden und Ställe zu beschäftigen. Mallina hatte sich zu einem törichten Ding entwickelt. Und das Schreckliche daran war, daß ihr Vater sie als törichtes Ding lieber hatte und erklärte, Romilly solle ihr nacheifern.
Nie. Ich möchte lieber tot sein als die ganze Zeit im Haus zu bleiben und wie eine Dame zu sticken. Mallina ist früher gut geritten, und jetzt ist sie wie Luciella, weich und schwabbelig. Sie schrickt zurück, wenn ein Pferd seinen Kopf in ihre Richtung dreht, sie könnte einen flotten Galopp keine halbe Stunde durchhalten, ohne herunterzufallen und wie ein Fisch in einem Baum zu japsen. Sie lächelt geziert und zwitschert, genau wie Luciella, und das Schlimmste daran ist, Vater gefallen sie so!
Am anderen Ende des Falkenhauses rührte sich etwas. Einer der Nestlinge dort stieß einen Schrei eines unabgetragenen jungen Vogels aus, der Futter riecht. Als habe der Laut eine Explosion hervorgerufen, begann Romillys Falke von neuem wild mit den Flügeln zu schlagen. Romilly, eins mit dieser Raserei, spürte grimmigen Hunger wie Klauen in ihrem Bauch wühlen. Der Junge des Falkenmeisters mußte eingetreten sein, um die anderen Vögel zu füttern. Er ging langsam von einem zum anderen, murmelte ihnen etwas zu. Also war es kurz vor Sonnenuntergang. Romilly war seit dem Vormittag hier. Der Junge beendete seine Arbeit, hob den Kopf und bemerkte sie.
»Mistress Romilly! Was tut Ihr hier, Damisela?«
Seine Stimme brachte den Falken von neuem zum Flattern.
Romilly wurde sich wieder der fürchterlichen Schmerzen bewußt und meinte, Hände und Arme würden gleich ins Stroh fallen. Mit Mühe riß sie sich los von dem Toben, der Angst, dem Zorn, der Blutlust – Krallen und Schnabel rissen, Blut schoß hervor, in ihren Mund… und zwang sich, leise zu sprechen, um den Vogel nicht noch mehr aufzuregen. »Ich arbeite mit diesem Falken. Geh weg, Ker, du bist hier fertig und wirst ihn nur ängstigen.«
»Aber ich habe Davin sagen gehört, der Falke solle freigelassen werden, und der MacAran ist wütend darüber«, brummelte Ker. »Er wollte die Verrin-Falken nicht verlieren, und er hat Davin gedroht, ihn hinauszuwerfen, den alten Mann, wenn er sie freiläßt.«
»Nun, den hier wird Vater nicht verlieren, wenn du ihn nicht um den Verstand bringst«, stellte Romilly gereizt fest. »Geh weg, Ker, bevor er wieder zu flattern beginnt.« Schon fühlte sie das Zittern, das sich in des Vogels Körper und Gehirn aufbaute. Sollte das rasende Flügelschlagen wieder losgehen, würde sie erschöpft zusammenbrechen und vor Wut und Frustration schreien. Es machte ihre Stimme scharf. »Geh weg!«
Ihre eigene Erregung teilte sich dem Vogel mit. Schon schlugen die Flügel wieder, Wellen von Haß und Panik kamen und gingen, drohten ihr Bewußtsein und ihre Identität zu ertränken. Sie wehrte sich stumm, versuchte, ruhig zu bleiben, Ruhe auf den verängstigten Vogel abzustrahlen. Komm, komm, Schöne, niemand will dir etwas tun, sieh her, hier ist Essen… und als sie wieder wußte, wer und wo sie war, war der Junge verschwunden.
Er hatte die Tür offengelassen. Ein fürchterlicher kalter Luftzug drang von den Abendnebeln herein. Bald würde der nächtliche Regen-oder Schneefall beginnen – verdammter Schlingel! Romilly stahl sich für ein paar Sekunden auf Zehenspitzen von dem Block weg, um die Tür zuzuziehen – was nützte es, diesen Falken zu zähmen, wenn alle Vögel an der Kälte starben! Sobald sie sich von ihrem Falken entfernt hatte, stieg die Frage in ihr auf, was sie hier eigentlich tat und warum. Wie war sie auf den Gedanken gekommen, sie, ein junges Mädchen, könne etwas fertigbringen, woran selbst der geschickte Davin in zwei unter fünf Fällen scheiterte? Sie hätte dem Jungen sagen sollen, das Falkenweibchen sei völlig erschöpft, er solle zu ihrem Vater gehen und ihn bitten zu übernehmen. Sie hatte gesehen, was er mit einem wilden, tobenden, erschöpften Hengst fertigbrachte, der aus den freilebenden Herden in den Schluchten und auf den weiter entfernten Berghängen stammte. Eine Stunde, vielleicht zwei, mit ihrem Vater am einen Ende der Longe und dem Hengst an der anderen, und
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