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Herrin der Falken

Titel: Herrin der Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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gefragt, als sie klein war. Und er hatte geschnaubt: »Was das angeht, ein Mensch kann es ohne Essen und Wasser länger aushalten als ein Falke. Wenn er nicht mehr Stehvermögen hat als der Falke, den er zähmen will, soll er sich gar nicht erst daran versuchen.«
    Nur hatte Davin von sich selbst gesprochen. Damals war es ihm nicht in den Sinn gekommen, ein Mädchen könne einen Falken zähmen wollen oder es gar fertigbringen. Später hatte er ihr nichts in den Weg gelegt, als sie darauf bestand, alle Künste des Falkners zu erlernen – schließlich mochten die Vögel eines Tages ihr gehören, obwohl sie zwei ältere Brüder hatte. Es wäre nicht das erste Mal, daß Falkenhof auf die weibliche Linie vererbt wurde. Auch war es nicht ungewöhnlich, daß eine Frau mit einem zahmen und gut trainierten Vogel ausritt. Sogar Romillys Stiefmutter hatte es schon getan, einen mit viel Fingerspitzengefühl ausgebildeten Vogel, nicht größer als eine Taube, wie ein seltenes Schmuckstück auf dem Handgelenk. Natürlich hätte Luciella niemals einen der Verrin-Falken berührt. Und ihr wäre nie eingefallen, ihre Stieftochter könne den Wunsch dazu haben.
    Aber warum nicht? fragte Romilly sich wütend. Ich bin mit der MacAran-Gabe geboren, mit dem Laran, das mir Herrschaft über Falke, Pferd und Hund gibt. Nicht Laran. Ich werde niemals zugeben, daß ich den bösen Fluch der Hastur-Sippe trage. Es ist die alte Gabe der MacArans…Ich habe ein Recht darauf, es ist kein Laran, nicht eigentlich…Ich mag eine Frau sein, aber ich bin ebensosehr ein MacAran wie meine Brüder! Wieder tat sie einen Schritt auf den Falken zu, das Fleisch auf dem Handschuh ausgestreckt. Doch der Falke warf den Kopf hoch und starrte Romilly mit seinen Perlenaugen kalt an. Er zog sich mit einem kleinen Hopser zurück, so weit es die Abmessungen des Blocks erlaubten. Romilly konnte spüren, daß die Fesseln ihm keinen Schmerz mehr verursachten. Sie murmelte tröstliche Worte, und ihr eigener Hunger machte sich wieder bemerkbar. Sie hätte sich etwas Essen in die Tasche stecken sollen. Oft genug hatte sie gesehen, daß Davin Brot und kaltes Fleisch bei sich trug, damit er in der langen Zeit, die er bei einem Falken aushielt, etwas zu kauen hatte. Wie gern hätte sie sich für einen Augenblick in die Küche oder Speisekammer geschlichen – und auch auf die Toilette; ihre Blase schmerzte vor Druck. Ihr Vater oder ihre Brüder hätten beiseite treten, sich kurz abwenden, die Hose öffnen und sich gegen die Wand erleichtern können. Aber obwohl Romilly eine alte Hose von Ruyven trug, hätte sie zu viele Bänder und Verschlüsse lösen müssen. Seufzend blieb sie, wo sie war. Wer nicht mehr Stehvermögen als ein Falke hat, hatte Davin gesagt, darf sich gar nicht erst an einem versuchen. Das war der einzige echte Nachteil, den ein Mädchen bei der Arbeit in den Ställen hatte, dachte Romilly, und zum ersten Mal war es ein echter Nachteil für sie selbst.
    Du bist auch hungrig, sprach sie stumm zu dem Falken. Komm, komm, hier ist Essen! Wenn ich hungrig bin, heißt das doch nicht, daß du nicht kröpfen darfst, du dummes Ding, du! Aber der Falke machte keine Anstalten, das Fleisch zu berühren. Er bewegte sich ein bißchen, und Romilly fürchtete schon, er werde einen neuen Anfall wilden Flügelschlagens bekommen. Er blieb jedoch ruhig, und nach einer Weile entspannte sie sich und hielt weiter bewegungslos Wache. Als meine Brüder in meinem Alter waren, wurde es als selbstverständlich angesehen – ein MacAran-Sohn trainiert seinen eigenen Hund, sein eigenes Pferd, seinen eigenen Falken. Und Rael ist erst neun, aber schon besteht Vater darauf, daß er seinen Hunden Manieren beibringt. Früher – bevor Ruyven sie verließ, bevor Darren nach Nevarsin geschickt wurde – hatte ihr Vater sie voller Stolz mit Pferden und Hunden arbeiten lassen.
    Er sagte immer: Romilly ist eine MacAran, sie hat die Gabe. Es gibt kein Pferd, das sie nicht reiten, keinen Hund, mit dem sie nicht Freundschaft schließen kann. Die Hündinnen kommen und werfen in ihrem Schoß. Er war stolz auf mich. Er sagte oft zu Ruyven und Darren, ich sei ein besserer Mac
    Aran als sie, und sie sollten achtgeben, wie ich mit einem Pferd umgehe. 
    Aber jetzt — jetzt macht es ihn wütend.  Ruyvens Flucht hatte für Romilly zur Folge gehabt, daß ihr Vater sie streng unter die Aufsicht ihrer Stiefmutter stellte. Sie sollte im Haus bleiben und sich »wie eine Dame« benehmen. Nun war sie fast

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