Herrin der Falken
mochte der Junge ihn erkennen, und dann…
Was kümmert es mich, welcher Schurke auf dem Thron sitzt? hallten die Worte ihres Vaters in ihrem Geist wider. Aber Alderic, der ihr der beste junge Mann zu sein schien, den sie außer ihren Brüdern kannte, war Carolins geschworener Mann, vielleicht sogar sein Sohn. Auch Carlo und Orain waren dem vertriebenen König treu. Und sein Ratgeber Lyondri Hastur schien, was auch sein Sohn sagen mochte, einer der schlimmsten Tyrannen zu sein, von denen sie je gehört hatte. Das ließ sich aus seiner Grausamkeit gegen Alarics Kinder schließen.
Und sie selbst war Dom Carlos Mann, zumindest so lange, wie sie in seinem Dienst Geld annahm. Er mußte erfahren, welche Gefahr Carolin drohte, den er seinen rechtmäßigen König nannte. Vielleicht konnte er ihn warnen, dem Kloster nicht nahezukommen, weil hier ein Kind sei, das ihn erkennen und jede beliebige Verkleidung durchschauen würde. Die Augen des Jungen und sein Laran waren in der Tat scharf. Er hatte gesehen, daß Romilly eine Frau war.
Aber ich kann weder Dom Carlo noch seinem Freund sagen, woher ich weiß, daß dieses Kind Laran hat. Romilly ging in den zum Kloster gehörenden Stall und fand die Pferde in guten Händen, sprach kurz mit den Knechten über ihre Pflege und gab ihnen, wie es sich gehörte, ein Trinkgeld. Orain hatte ihr einen großzügigen Betrag in Silber und Kupfer für ihre Ausgaben zur Verfügung gestellt. Nach der Begegnung mit dem kleinen Caryl war sie auf der Hut. Aber keiner der Stallknechte schenkte ihr die geringste Aufmerksamkeit. Alle nahmen sie für das, was sie war, einen weiteren Lehrling im Gefolge der jungen Edelleute, die im Kloster wohnten. Dann machte sie sich auf die Suche nach Dom Carlo, um ihm ihre Warnung zu überbringen. In den Räumen, die ihnen im Gästehaus zugewiesen waren, traf sie jedoch nur Orain an, der seine stümperhaft zusammengeschusterten Stiefel flickte. Bei Romillys Eintritt blickte er hoch.
»Ist irgend etwas mit den Vögeln oder den Reittieren passiert, Junge?«
»Nein, es geht ihnen allen gut«, antwortete Romilly. »Verzeiht mir, wenn ich Euch in Eurer Mußestunde störe, aber ich muß Dom Carlo sprechen.«
»Du kannst ihn weder jetzt noch in absehbarer Zeit sprechen«, sagte Orain. »Er hat sich mit dem Vater Abt eingeschlossen, und ich glaube nicht, daß er ihm seine Sünden beichtet – er ist kein Cristofero. Kann ich etwas für dich tun, Junge? Eine dringende Arbeit liegt nicht an; die Vögel sind gut versorgt und gesund. Sieh dir doch einfach die Stadt an. Falls du dazu einen Vorwand brauchst, will ich dir einen Auftrag geben. Du kannst diese Stiefel zum Flicken bringen.« Er hielt sie ihr hin und meinte mit seinem lustigen Grinsen: »Dazu reicht meine Geschicklichkeit nicht aus.«
»Den Auftrag will ich gern ausführen«, sagte Romilly. »Aber ich habe eine wirklich wichtige Nachricht für Dom Carlo. Er… ihr alle seid Carolins Männer, und ich habe soeben gehört, daß… daß jemand, der den König und vielleicht auch einige seiner Ratgeber kennt, hier im Kloster ist: Lyondri Hasturs Sohn Caryl.«
Orains Gesichtsausdruck veränderte sich. Seine Lippen spitzten sich zu einem tonlosen Pfiff. »Tatsächlich? Der Welpe dieses Wolfs ist hier und vergiftet die Gedanken der Leute gegen meinen Herrn?«
»Der Junge ist erst zwölf«, protestierte Romilly, »und scheint ein nettes Kind zu sein. Er sprach gut von dem König und sagte, zu ihm sei er immer freundlich gewesen. Aber er mag ihn kennen…«
»Aye«, Orain blickte grimmig, »bestimmt. Eine eben ausgeschlüpfte Schlange kann beißen wie eine alte. Mir ist nichts Schlechtes über das Kind bekannt. Aber Alaric darf nicht wissen, daß es hier ist, sonst könnte er den Sohn für den Vater bezahlen lassen. Ich bezweifle, daß ich seine Hände von der Kehle eines Hastur-Sohns abhalten könnte, und ich kenne seine Gefühle recht gut. Mein Herr muß davon erfahren, und zwar schnell.«
»Würde Caryl auch Dom Carlo erkennen? War er so oft bei Hofe? Ist Dom Carlo nicht –«, sie zögerte, »einer von Carolins Verwandten?«
Orain nickte. »Er gehört zur Hastur-Sippe.« Er seufzte. »Nun, ich werde das Kind im Auge behalten und Dom Carlo Bescheid geben. Du hast gut daran getan, mich zu warnen, Rumal. Dafür bin ich in deiner Schuld.« Als wolle er den Gedanken beiseite schieben, bückte er sich und hob die oft geflickten Stiefel hoch. »Bring sie in die Stadt, und damit du dich nicht verläufst, will ich
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