Herrin der Stürme
ziehen«, sagte Renata besänftigend. »Er wird aus dem Kampfbereich herausgeschickt. Von Caer Donn ist ein Bote gekommen, dem Allart mit der Waffenstillstandsflagge als Begleiter mitgegeben wird. Lord Elhalyn hat ihn mit einem Auftrag zu den Bergbewohnern geschickt.«
»Werde ich mit ihm gehen?« Cassandra hielt den Atem an. Ihr Gesicht wurde von einem Ausdruck solcher Freude überzogen, daß Renata zögerte, weiterzusprechen.
Schließlich sagte sie behutsam: »Nein, Cousine. Das ist dir jetzt nicht bestimmt. Du mußt hierbleiben. Du brauchst dringend eine Ausbildung, die dich dein Laran kontrollieren läßt. Ich werde den Turm verlassen, und du wirst hier als Überwacherin gebraucht. Mira wird sofort anfangen, dich zu unterrichten.«
»Ich? Überwacherin? Wirklich?«
»Ja. Du hast lange genug im Kreis gearbeitet, und dein Laran und deine Begabung sind uns bekannt. Coryn meint, aus dir könne eine geschickte Überwacherin werden. Man wird dich sehr bald brauchen. Wenn Allart und ich abreisen, wird es kaum genug Arbeiter geben, um zwei Kreise zu bilden, geschweige denn genügend ausgebildete Überwacher.« «Aha.« Sekundenlang schwieg Cassandra. »Zumindest habe ich ein leichteres Los zu ertragen als andere Frauen meines Clans, denen nichts anderes übrigbleibt, als zuzuschauen, wie ihre Männer in die Schlacht oder den Tod reiten. Hier wartet nützliche Arbeit auf mich. Allart braucht nicht zu befürchten, mich mit einem Kind zurückzulassen.« Als sie Renatas fragenden Blick sah, fuhr sie fort: »Ich schäme mich, Renata. Vielleicht weißt du nicht … Allart und ich haben einander gelobt, daß unsere Ehe unvollzogen bleibt. Ich … ich habe ihn dazu verführt, dieses Gelübde zu brechen.«
»Cassandra, Allart ist weder ein Kind noch ein unerfahrener Junge. Er ist ein erwachsener Mann und durchaus in der Lage, eine solche Entscheidung selbst zu treffen.« Renata unterdrückte den Impuls zu lachen. »Ich bezweifle, daß ihm der Gedanke schmeicheln würde, daß du ihn gegen seinen Willen vergewaltigt hast.«
Cassandra wurde rot. »Dennoch, wäre ich stärker und fähig gewesen, mein Verlangen zu unterdrücken …«
»Cassandra, es ist geschehen und kann nicht rückgängig gemacht werden. Alle Schmiede in Zandrus Schmiedewerkstätten können ein zerbrochenes Ei nicht wieder heil machen. Du bist nicht der Hüter von Allarts Gewissen. Jetzt kannst du nur nach vorn blicken. Vielleicht ist es ganz gut, daß er dich eine Weile verlassen muß. Es wird euch beiden die Gelegenheit geben zu entscheiden, was ihr in Zukunft tun wollt.« Cassandra schüttelte den Kopf. »Wie kann ich allein eine Entscheidung treffen, die uns beide angeht? Es ist an Allart zu sagen, was danach geschieht. Er ist mein Ehemann und mein Fürst!«
Renata wirkte plötzlich gereizt. »Diese Einstellung ist es, die die Frauen dahin gebracht hat, wo sie jetzt sind! Im Namen der Seligen Cassilda, Kind, hältst du dich immer noch für eine Gebärmaschine und ein Spielzeug der Begierde? Wach auf, Mädchen! Glaubst du, Allart begehrt dich nur aus diesen Gründen?«
Cassandra blinzelte verblüfft. »Was kann eine Frau sonst sein?« »Du bist keine Frau!« sagte Renata zornig. »Du bist noch ein Kind! Jedes Wort, das du sagst, bezeugt das! Hör mir zu, Cassandra. Als erstes bist du ein menschliches Wesen, ein Kind der Götter, eine Tochter deines Clans, die Laran besitzt. Glaubst du, du hättest es nur, um es an deine Söhne weiterzugeben? Glaubst du ernsthaft, du besäßest für Allart keinen anderen Wert, als den, sein Bett zu teilen und ihm Kinder zu schenken? Mein Gott, Mädchen, das könnte er von einer Konkubine haben, oder einer Riyachiya …«
Cassandras Wangen erglühten in zornigem Rot. »Es ziemt sich nicht, über solche Dinge zu reden!«
»Sondern nur, sie zu tun?« erwiderte Renata wutentbrannt. »Die Götter haben uns als denkende Geschöpfe erschaffen. Meinst du, sie hätten die Frauen nur als Zuchttiere ausersehen? Wenn das so ist – warum haben wir dann einen Verstand, Laran, und Zungen, um unsere Gedanken zu äußern? Man hätte uns dann doch nur hübsche Gesichter, Geschlechtsorgane, Bäuche, um die Kinder auszutragen, und Brüste, um sie zu ernähren, zu geben brauchen. Glaubst du, die Götter hätten nicht gewußt, was sie tun?«
»Ich glaube nicht, daß es überhaupt Götter gibt«, gab Cassandra zurück, und die Bitterkeit in ihrer Stimme war so groß, daß Renatas Zorn verrauchte. Auch sie hatte diese Art von Bitterkeit erfahren. Sie
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