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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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Judith zu Ende
führte. Nach einer Woche war es leer, sauber und bereit für den Makler, dem sie
auch die Schlüssel übergab. Danach stieg sie, ohne noch einmal zurückzusehen,
in den Umzugswagen, der Merzigs bewegliche Habe zur BSR brachte. Kai, Josef
und zwei Helfer von Synanon packten mit an. Judith blieb neben der offenen
Luke stehen und wartete, bis alles in den verschiedenen Containern
verschwunden war.
    Sie verabschiedete sich von Dombrowski, der ihr fluchend einige unschöne
Worte hinterherrief, denen sie entnahm, dass er sie vermissen würde. Zumindest
die nächsten drei Monate, die sie sich freigenommen hatte. Sie ging in die
Umkleideräume, duschte sich, wechselte die Kleidung und begann, ihren Spind
auszuräumen. Sie konnte Dombrowski verstehen. Er ahnte, dass es nicht sicher
war, ob sie wiederkommen würde. Sie wusste es selbst nicht. Sie musste sich
über einiges klarwerden. Dazu gehörte auch die Frage, ob dieser Job die Folge
von Ereignissen und Entwicklungen war, mit denen sie abschließen konnte. Oder
ob er ihr mehr bedeutete.
    Sie schloss die Spindtür ab und beobachtete, wie die Bürokolonne von der
Arbeit zurückkehrte und Josef einen LKW auf dem Hof rangierte. Kai war schon
auf dem Weg nach Hause. Dombrowski hatte ihm einen Ausbildungsplatz angeboten.
Gebäudereiniger, kein Cleaner. Der Junge war ein wenig enttäuscht, aber seine
Stimmung hatte sich aufgehellt, als Dombrowski ihn für das Merzig-Haus Judith
zugeteilt und versprochen hatte, sich bei Eignung um die Zusatzausbildung zu
kümmern.
    Sie schulterte ihre Tasche und ging über den Hof zu dem großen Rolltor.
Plötzlich hörte sie hinter sich einen gellenden Pfiff. Sie drehte sich um und
sah Dombrowski am offenen Fenster stehen.
    »Hepp!«, rief er und warf ihr etwas zu. Sie ließ die Tasche fallen und
fing es auf. Es waren die Schlüssel zu dem alten Transporter. »Wiedersehen
macht Freude!«
    Er rammte das Fenster in den Rahmen und verschwand von der Bildfläche.
Judith hob ihre Tasche auf und ging zu dem Wagen. Die Idee, richtig Urlaub zu
machen und einfach wegzufahren, gewann damit mehr und mehr Kontur. Sie warf
die Tasche auf den Beifahrersitz, umrundete den Kühler und stieß mit einem Mann
zusammen.
    »Wohin des Wegs, Frau Kepler?«
    Judith runzelte die Stirn und betrachtete den Mann von seinem sorgsam
gezogenen Scheitel bis zu seinen handgenähten Budapestern.
    »Tut mir leid. Ich erinnere mich nicht mehr an Ihren Namen. Zu viele davon
in letzter Zeit, Sie verstehen?«
    »Peter Winkler. Fernmelde- und Kommunikationswesen Süd. Aber an Malmö
erinnern Sie sich?«
    »Ich weiß nicht, von was Sie reden.« Sie griff an ihm vorbei und öffnete
die Fahrertür. »Was wollen Sie von mir?«
    »Können wir ein paar Worte offen miteinander reden?«
    »Sind Sie verwanzt?«
    »Technisch gesehen auf keinen Fall. Darüber hinaus wäre ich ja bei Ihnen
in besten Händen.«
    Ein charmantes Lächeln spielte um seine Lippen. Lernte man das beim BND?
Vertrauenerweckend die Frauen anlächeln? Sie sah sich um. Auf dem Parkplatz war
niemand zu sehen. Und der Transporter war der einzige Ort, an dem sie sicher
war, nicht abgehört zu werden.
    »Steigen Sie ein.«
    Als Winkler saß, startete sie den Wagen und fuhr los. Sie wusste nicht,
wohin, also fuhr sie Richtung Stadtautobahn. »Was gibt es?«
    »Wir haben unsere Vereinbarung gehalten. Jetzt sind Sie mit Ihrem Teil an
der Reihe.«
    »Wer sagt mir, dass die Polizei nicht plötzlich ganz neue Erkenntnisse
hat? Die Amerikanerin hat mindestens vier Menschen getötet. Und mich auch, wenn
ich mich nicht gewehrt hätte.«
    »Ich weiß. Und deshalb machen wir Ihnen ein Angebot, das uns genauso verpflichtet
wie Sie.«
    »Und das wäre?«
    »Wir haben das angebliche Grab Marianne Keplers in Sassnitz untersuchen
lassen. Herr Kaiserley hatte uns darum gebeten. Er hatte recht. In der Urne
befindet sich die Asche von zwei Verstorbenen. Nach allem, was er uns erzählt
hat, gehen wir davon aus, dass es sich um Richard und Irene Sonnenberg
handelt.«
    Judith setzte den Blinker und beobachtete den stockenden Verkehr hinter
der Auffahrt Gradestraße, um sich in eine Lücke einzureihen. Kaiserleys Name
hatte sie unvorbereitet getroffen. Dass er hinter ihrem Rücken mit Winkler über
sie gesprochen hatte, verletzte sie.
    »Das haben Sie von Kaiserley?«
    »Wir schlagen eine Umbettung und die Einrichtung einer neuen Grabstätte
vor. Sie hätten einen Ort, an dem Sie trauern könnten.«
    »Wer sagt denn, dass ich das will?

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