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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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find me ...«
     
    Das
Brummen wurde lauter. Es knackte und rauschte, und plötzlich verschwand Cyndi
Lauper.
    »...
Deutsche Bucht: östliche Winde um drei, zeitweise umlaufend. See null Komma
fünf bis ein Meter. Die Aussichten: Südost sieben bis fünf, Westteil zunehmend.
Belte und Sund: Nordost drei... time after time ...«
    Sie nahm
den Kopfhörer ab. Aussichten sieben bis fünf. Sie atmete tief durch. Der tote
Briefkasten war frei und konnte belegt werden. Mit einer Nachricht, die
diesmal nichts mit Manövern der russischen Streitkräfte zu tun haben würde.
Sie holte leise ihren Mantel und die festen Schuhe aus dem Schrank.
     
    *
     
    Es war
kein guter Ort zum Sterben.
    Judith
Kepler zog die Handbremse an und stellte den Motor ab. Sie betrachtete das
graue Mietshaus durch die Frontscheibe des Transporters und spürte, wie sich
ihr Magen zusammenzog. Ihre Handflächen, die das Lenkrad umklammerten, wurden
feucht. Und ausgerechnet an diesem Morgen hatte sie einen absoluten Anfänger
dabei.
    Entlang
der dichtbefahrenen Straße reihten sich Discountkleiderketten, Puffs und
dubiose Gebrauchtwagenhändler aneinander. Eine Ecke für alles, was billig zu
haben war: Frauen, Autos, auch Wohnungen. Einige Fenster des Hauses waren
blind. Vor anderen hingen anstelle der Gardinen ausgeblichene Decken und
Handtücher.
    Ihr
Beifahrer schaute begehrlich auf einen heruntergerittenen Ford Fiesta, der für
die monatliche Rate von neunundneunzig Euro gleich mitgenommen werden konnte.
Vorausgesetzt, man hatte einen festen Arbeitsplatz. Kai hatte weder das eine
noch das andere. Keine neunundneunzig Euro und auch keinen Job. Er war ein
breitschultriger, großgewachsener Junge mit einer dieser neumodischen, ins
Gesicht gekämmten Pilzkopffrisuren. Sie verlieh seinen kräftigen Zügen etwas
ungewollt Poetisches, von dem er selbst wahrscheinlich keine Ahnung hatte.
    Sie
klappte die Sonnenblende herunter und sah in den Spiegel. Was hielten
Einundzwanzigjährige von Frauen über dreißig? Jenseits von Gut und Böse
wahrscheinlich. Sie strich sich eine Haarsträhne zurück und merkte im gleichen
Moment, wie eitel das in seinen Augen wirken musste. Dabei machte sie das jedes
Mal, bevor sie an einen Einsatzort kam. Hände gewaschen, Haare gekämmt. Der
erste Eindruck war entscheidend. Das galt für Wohnungen, für Jobs, für Männer
und für alles andere, das korrekt erledigt werden sollte.
    Judith
verkniff sich die Frage, wann sie das letzte Mal einen Mann korrekt erledigt
hatte. Ein seltsamer, absurder Gedanke. Sie sollte in Zukunft weniger
Selbstgespräche führen.
    Kai riss
sich los von dem Auto, hob die dichten Augenbrauen bis unter den Ansatz seines
Ponys und fragte mürrisch: »Geht es jetzt da rauf oder was?«
    Du bist
korrekt erledigt nach der ersten Schicht, dachte sie und versuchte ihrem
Lächeln das Hinterhältige zu nehmen.
    Sie stieg
aus. Hinter ihrem Rücken hörte sie, dass er den Wagen ebenfalls verließ. Er
folgte ihr wie ein Welpe. Wahrscheinlich würde er auf dem Absatz kehrtmachen,
sobald er mitbekam, auf was er sich eingelassen hatte, also konnte sie ihn
auch gleich mit vorauseilender Rücksichtslosigkeit behandeln.
    Am
Hauseingang stieg ihr der stechende Geruch von Urin in die Nase - ein
untrügliches Zeichen, dass die Schattengewächse der Metropole diese Ecke
erobert und ihr Revier markiert hatten. Die Tür war eine
Fünfziger-Jahre-Scheußlichkeit mit Aluminiumrahmen und mehrfach gebrochenem
Sicherheitsglas. Sie wurde von innen geöffnet. Ein Mitarbeiter des
Bestattungsinstituts trat heraus und arretierte den Flügel. Er nickte Judith
kurz zu.
    »Mensch,
Mädchen.« Er griff in die Jackentasche und hielt Judith eine kleine Metalldose
hin. Die Geste war die wortlose Zusammenfassung dessen, was sie oben erwartete.
    »Danke.«
    Judith
rieb sich die Mentholpaste unter die Nase. Dann reichte sie die Dose an Kai
weiter, der ratlos daran schnupperte und sie ihr zurückgab. Er hatte keinen
Schulabschluss, und die Arbeitsagentur hatte ihm dieses Praktikum als letzte
Chance verkauft. Statt um sieben war er um halb neun zur Arbeit erschienen
und hatte eine vage Entschuldigung gemurmelt, in der ein kaputter Wecker und
einige Lebensjahre vorkamen, in denen Wecker überhaupt keine Rolle gespielt
hatten. Dass er trotzdem mit von der Partie war, lag daran, dass der Arzt noch
einen Notfall gehabt hatte und sie auf die Leichenschau und die Freigabe
hatten warten müssen. Und daran, dass Judith vielleicht die Einzige bei
Dombrowski

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