Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
appellieren.
Doch wer es in Britannien wirklich zu etwas bringen will, der pflegt, unabhängig seiner sonstigen religiösen Gesinnung, den Kult, der das Zugehörigkeitsgefühl zu Rom befördern soll: den Kaiserkult.
Es ist schwierig, den Kaiserkult genau zu identifizieren, denn er ist eine geniale Kombination aus Ideologie, Personenkult und Religion. Im ersten christlichen Jahrhundert gelten in Rom die Angehörigen der imperialen Familie bereits zu Lebzeiten als göttlich (Claudius wurde nach seinem Tod sogar tatsächlich zum Gott erklärt). Und genauso werden sie behandelt: Man betet sie an, vollführt festgeschriebene Rituale, errichtet Tempel für sie. Der Erste auf britannischem Boden ist der prunkvolle Claudius-Tempel in Camulodunum. Er wird im Jahre 60 n. Chr. im Verlauf der Rebellion der Boudicca zum Feuergrab für die letzten Verzweifelten, die der irrigen Meinung sind, dass die rasenden Anhänger der icenischen Königin Respekt vor dem Sinnbild der göttlich-kaiserlichen Macht haben. Man huldigt dem Kaiser und seiner Familie in jeder Garnison, in jeder größeren Stadt, an jedem größeren Marktflecken. Es gehört zum guten Ton, als britannischer Aristokrat an dem Kult nicht nur teilzunehmen, sondern diesen in seinem Einflussbereich auch zu finanzieren, zum Beispiel durch die Errichtung eines Tempels oder zumindest eines Schreins. Der Kult um die göttliche imperiale Familie erfüllt damit eine vitale Funktion des wachsenden römischen Gemeinwesens. Er gibt seinen Bewohnern eine Gemeinsamkeit, die das Gefühl generiert, auch fern von Rom Mitglied einer großen Gemeinschaft zu sein. Und ist es nicht das, worum es wirklich geht? Worum es immer gegangen ist? Dazugehören? Teil der Macht sein?
Kann es ein stärkeres Motiv für Loyalität geben?
Allerdings gräbt sich der Kaiserkult im Laufe der Zeit sein eigenes Grab. Die Mitglieder der imperialen Familien haben nicht nur gesetzlich festgelegten göttlichen Status, sie benehmen sich auch so. Ihr exaltiertes, extravagantes Auftreten trägt nicht unbedingt dazu bei, ihren Rückhalt bei den Edlen und Mächtigen Roms auf Dauer zu festigen. Der Kaiserkult wird mit allen Mitteln durchgesetzt, und das Ziel legitimiert auch den Angriff auf das Eigentum und sogar das Leben nicht völlig überzeugter Senatoren. Und bald wird der Kaiserkult zu einer Formalie der Oberschicht, ein ohne innere Überzeugung abgegebenes Statement in reinweg eigenem Interesse, das nicht mehr nur »Dazugehören«, sondern oft genug auch einfach nur »Überleben« heißt.
Neben der Öffnung für neue Kulte ist das erste christliche Jahrhundert geprägt von der Verfolgung der alten keltischen Religion. Ihre Träger werden zu Verfolgten, die ihre Lehren heimlich verbreiten müssen. Die fortschreitende Romanisierung entzieht ihnen nach und nach den Rückhalt in der Bevölkerung. Vielfach sinken sie auf den Status von Schamanen und Geschichtenerzählern mit einer kleinen Zuhörerschaft innerhalb derjenigen Bevölkerungsschicht, für die sich durch die Romanisierung eigentlich kaum etwas verändert hat. Den einfachen Kleinbauern, die auf abgelegenen Gehöften ihre Felder bestellen oder das Vieh austreiben, ist es egal, an wen sie ihre Abgaben leisten, ob sie ihre Steuern an einen keltischen Adelsherrn oder einen römischen Prokurator zahlen. Sie leben ihr Leben weiter wie bisher, bleiben zum großen Teil auch in den alten Traditionen verhaftet. Sie sind es, die aufgrund ihrer Schreibunkundigkeit abends an den Feuern sitzen und sich die alten Geschichten von Helden, Feen, Trollen, Elfen und Zwergen erzählen, sie von Generation zu Generation weitergeben. Speziell auf den Britischen Inseln werden sie so zu der wichtigsten Quelle eines reichen Brauchtums, einer Folklore, die als genau das überlebt.
Natürlich gibt es auch Christen in Britannien. Allerdings spielen sie in römischen Zeiten eine eher untergeordnete Rolle. Es gibt kaum irgendwelche Hinweise auf gepflegte Riten aus der Zeit vor 306 n. Chr., als Konstantin Kaiser wird und sich die Wende anbahnt.
Die Britannier sprechen Latein. Ihre Kinder lernen in Schulen die Wertvorstellungen Roms kennen. Wer modern sein will, trägt keine bracae mehr, sondern eine Toga. Die Wohlhabenden und Mächtigen verwenden ihr Vermögen, um römische Einrichtungen wie Straßen, Tempel, Schreine und Statuen zu finanzieren. Die Menschen haben aufgehört, mit der Natur in Einklang zu leben, nur zu nehmen, was sie zum Leben brauchen. Der Gedanke an Profit hat die
Weitere Kostenlose Bücher