Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
sind die Schotten in Schottland generell unerwünscht. Die englische Tuchindustrie braucht Wolle, die Grundbesitzer benötigen große, zusammenhängende Gebiete als Schafweiden, und da stören die Einwohner ganz erheblich. Nova Scotia wird als das neue Paradies vermarktet. Die Schotten verlassen ihre Heimat und siedeln sich vorrangig in Cape Breton an. Die zweite große Welle schottischer Auswanderungen beginnt 1820, allerdings sind es keine wohlhabenden Clanführermehr, sondern in der Regel fast mittellose Menschen auf der verzweifelten Suche nach einer neuen Existenz. Sie sind es, die verstärkt die Sprache und die letzten Reste keltischer Traditionen nach Nova Scotia und Cape Breton bringen. Die Hauptsprache ist Gälisch, und das bleibt sie auch für lange Zeit. Es gibt so gut wie keine Städte, und die wenigen, die es gibt (wie die ursprünglich britische Stadtgründung Halifax) sind mangels Eisenbahn und schlecht ausgebautem Straßennetz nur schwer zu erreichen.
Doch das 20. Jahrhundert bringt Veränderungen. Die modernen Einflüsse Amerikas fordern ihren Tribut. Die Jugend bricht aus den ländlichen, traditionellen und extrem konservativen Kreisen aus. Ihre Sprache wird die der Medien und der Städte. Von dem ursprünglichen Gälisch bleibt gerade einmal ein kleiner Akzent im amerikanischen Englisch. Bereits 1904 wird der Druck der einzigen gälischsprachigen Zeitung wegen mangelndem Bedarf eingestellt. Auch hier ist es letztlich die Tourismusindustrie, die aus Eigeninteresse heraus die vermeintlich letzten Reste des keltischen Erbes konserviert und aufbereitet. Doch die Grundlage dessen, was man heute in Nova Scotia als »die keltische Erfahrung« verkauft, ist die »Kultur der Fiddler«, die ihre Wurzeln bei den Einwanderern zwischen 1820 und 1860 hat, die trotz gälischer Sprache selbst schon längst keine Kelten mehr waren (s. Karte Sprachenklaven im Farbbildteil Abb. 37).
Walisisch wird noch heute in einer Region als Alltagssprache verwendet, von der man es nicht vermuten würde: Argentinien. Um 1860 herum liegt Argentinien im Konflikt mit dem benachbarten Chile. Der Plan der Regierung: Schaffung eines Pufferstaates, den man kontrollieren kann. Die Grundlage der walisischen Kolonie in Patagonien ist ein Vertrag, nachdem die argentinische Regierung Land bereitstellt und die walisischen Partner sich verpflichten, möglichst viele Kolonisten ins Land zu holen.
Dabei hat das Unternehmen keinen wirklich guten Start. Das »Glück verheißende Land«, das Chubut-Tal, ist in Wahrheit eine Halbwüste, die regelmäßig von Überflutungen heimgesucht wird. Auch hat die argentinische Regierung keinen unerheblichen Anteil daran, dass die Umgebung alles andere als einladend ist: In den Jahren zuvor ist sie mit Mitteln gegen die einheimische Urbevölkerung vorgegangen, die man getrost als Völkermord bezeichnen kann. Die einheimischen Stämme machen in ihren Racheaktionen nun ihrerseits keinen Unterschied mehr zwischen Argentiniern und Walisern. Dennoch kommen bald die ersten Erfolge für die neuen Siedler. Diese sind dann auch das Signal für Argentinien, die walisische Kolonie verwaltungstechnisch fester an sich zu binden (also zum Beispiel, die Waliser zu den für Argentinier obligatorischen militärischen Sonntagsübungen zu verpflichten, was sie strikt ablehnen). In den 1920er-Jahren und noch mehr in den 40er-Jahren (unter Perón) leidet die walisische Kultur unter der restriktiven Politik der argentinischen Regierung, die sich strikt gegen kulturelle Vielfalt ausspricht. Erst ab 1983, nach dem Fall der Militärdiktatur, entspannt sich die Lage und das Walisische im Chubut-Tal erlebt einen Aufschwung. Heute sprechen dort noch etwa 5000 Menschen Walisisch im Alltag, die meisten davon in Gaimán, der einzigen Siedlung, in der das Walisische kein aufgepfropftes Kulturprojekt ist, sondern völlig natürlich zum Leben gehört.
Leben wir in einer keltischen Welt?
Die alten keltischen Reiche sind schon vor langer Zeit untergegangen. Was dagegen überlebt hat, ist die ungebrochene Faszination, die von dieser uralten, reichen Kultur ausgeht, die das Gesicht des modernen Europas so entscheidend mitgeprägt hat. Und sie wird ganz sicher überleben, dafür sorgen neben staatlichen Stellen und Organisationen auch viele kleine und große, »laute« und stille Helden. Einen eher paradoxen Beitrag leisten dabei auch diejenigen, die auf die eine oder andere Art und Weise die keltische Kultur zelebrieren und sich dabei auf ihre
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