Herrscher der Eisenzeit
Oxfordshire. Nördlich dessen, was die Britannier »kleines Wasserstück« – zu gut Keltisch tam – nennen und heute Themse heißt.
Unter Caswallons Führung ändert sich die Strategie der Britannier. Sie greifen die vorrückenden Römer frühzeitig an, ziehen sich zum Schein zurück, um dann wieder aus Hinterhalten loszuschlagen. Sie überfallen Nachtlager, versuchen, die großen Marschverbände durch geschickte Manöver in kleine Gruppen aufzusplitten und aufzureiben. Hauptziel sind die Nahrungssammler, und das so effektiv, dass Caesars Versorgung mit Lebensmitteln schon sehr bald in Schwierigkeiten gerät.
Unter schweren Verlusten stoßen die Römer dennoch unaufhaltsam in das Landesinnere vor. In einem Gegenangriff werden die Kelten unter Caswallon schließlich entscheidend geschlagen. Caswallon selbst flieht mit den Resten der Streitmacht der Cassi und Trinovantes. Um den Römern die Verfolgung so schwer wie möglich zu machen, verbrennen die Cassi ihre eigenen Dörfer und Felder, damit Caesar hier von allen Nahrungsmitteln abgeschnitten ist.
Doch ist Caswallon offenbar der Letzte, der noch an den Sieg der britannischen Kelten glaubt. Noch während seiner Verfolgung erscheinen fünf Stammesherrscher bei Caesar und bitten um Frieden. Auch der ehrgeizige und machthungrige Avarwy, Sohn des Lugh, des Herrschers der Trinovantes, hält es für besser, die Römer als Partner zu gewinnen. Bereits vor dem Beginn der ersten Invasion hat Avarwy zu denen gehört, die Caesar aufgesucht und ihm seine Unterstützung angeboten hatten. Auch jetzt, als die geschlagenen Stämme Südostbritanniens bei Caesar um Frieden bitten, ist er wieder mit von der Partie. Ob Lugh als Herrscher in dieser schwierigen Situation nicht abkömmlich ist oder ob sich Avarwy selbst in die Position des Verhandlungsführers der Trinovantes gedrängt hat, istnicht bekannt. Allerdings geht er weiter als alle anderen Stammesherrscher, die bei Caesar vorstellig werden. Er bietet Caesar an, ihn zu dem Versteck des Caswallon zu führen, wenn ihm der Römer zu seinem – wie er meint – legalen Anspruch auf den Thron der Trinovantes verhilft. Ironie des Schicksals: Caesar akzeptiert das Angebot des Avarwy; dieser taucht aber durch ein Missverständnis auf römischer Seite in Caesars Berichterstattung nicht unter seinem richtigen Namen, sondern unter dem Schimpfwort auf, mit dem ihn seine keltischen Zeitgenossen bedenken. Mandubratius, der Name, unter dem Avarwy in De bello Gallico Erwähnung findet, ist die lateinische Auflautierung von du bradwr – schwarzer Verräter.
Wie er es in der Kürze der Zeit schafft, ist schleierhaft, doch nur wenige Tage später desertieren die Trinovantes aus dem Heer des Caswallon. Avarwy ist von da an tatsächlich Herrscher seines Stammes. Was mit seinem Vater geschehen ist, ist nicht überliefert.
Unerwartet erhält Caesar weitere Unterstützung, dies von einem Stamm, den er als Cenimagni bezeichnet und der nordöstlich der Cassi im heutigen East Anglia lebt. Die Ceni magni , »die großen Iceni«, verdienen sich damit als einer der ersten britannischen Stämme den Titel »Freunde Roms«.
Von Avarwy geführt, erstürmen die Römer die Festung, in der sich Caswallon verschanzt hatte, doch wieder gelingt diesem die Flucht. In einer anderen Hügelfestung plant er seinen letzten Schlag gegen Caesars Legionen. Sein Charisma überzeugt sogar die Cantii und die Atrebates, sich noch einmal seinem Heer anzuschließen, um einen Angriff gegen das römische Basislager zur führen. Das passiert irgendwann um den 5. August herum. Als dieser Angriff scheitert, gibt Caswallon auf und entsendet einen Boten zu Caesar, der die Bedingungen für die Kapitulation entgegennehmen soll.
Nun wäre die Entsendung eines Unterhändlers ja nichts Außergewöhnliches. Allerdings … Es handelt sich bei diesem Boten um keinen Geringeren als Comm. Wie er Caesar erklärt, warum er sich die ganze Zeit über nicht nur in Caswallons Unterschlupf aufgehalten, sondern sogar das atrebatische Kontingent während dieses letztenAngriffs auf die Römer geführt hat, darüber schweigt die Geschichtsschreibung …
Caesar bricht unter Comms Führung zu Caswallons Versteck auf. Die Verhandlungen ziehen sich in die Länge. Aber diesmal gehen Caesars Bedingungen auch weiter. Außer, dass er wie üblich Geiseln und Tribut fordert, greift er aktiv in die stammesinternen Belange der Britannier ein und verbietet Caswallon, Schritte gegen die Trinovantes im Allgemeinen
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