Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
derjenige, der aufgeschrien hatte. Er war undeutlich geworden, verlor allmählich Reens Gestalt und trieb Fortsätze aus, die an einen Sturm wirbelnder Finsternis erinnerten. Beinahe wie Nebel, doch viel, viel schwärzer.
Sie hatte diese Schwärze schon einmal gesehen. Sie war hindurchgewatet, in der Höhle unter Luthadel, auf dem Weg zur Quelle der Erhebung.
Eine Sekunde später war Ruin wieder da. Abermals sah er wie Reen aus. Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken und sah Vin nicht an. Es war, als ob er vorzugeben versuchte, dass er nicht die Kontrolle verloren hatte. Doch in seinen Augen erkannte
sie die Enttäuschung. Und die Wut. Sie wich vor ihm zurück – und kam dadurch näher an Marsch heran.
»Du Narr!«, rief Marsch, wich von ihr und redete dabei mit Yomen. »Du Dummkopf!«
Verdammt, dachte Vin verärgert.
»Ich …«, begann Yomen verwirrt. »Herr, warum ist das Atium so wichtig für Euch? Ohne Allomanten und Politiker der Hohen Häuser, die dafür bezahlen, ist es wertlos.«
»Du weißt gar nichts«, fuhr Marsch ihn an. Dann lächelte er. »Aber du bist verdammt. Ja … wirklich … verdammt …«
Vin sah in der Ferne, dass Elants Armee nun doch dabei war, das Lager abzuschlagen. Yomen drehte sich wieder zum Fenster hin, und Vin näherte sich ihm – scheinbar um einen besseren Blick zu haben. Elants Streitkräfte sammelten sich: Menschen und Kolosse. Vermutlich hatten sie bemerkt, dass die Verteidigung der Stadt verstärkt worden war. Dadurch hatten sie die Möglichkeit eines Überraschungsangriffs verloren.
»Er wird diese Stadt verwüsten«, sagte Ruin und trat neben Vin. »Dein Elant ist ein guter Diener, mein Kind. Einer meiner besten. Du solltest stolz auf ihn sein.«
»So viele Kolosse …«, hörte sie Yomen flüstern. »Herr, gegen eine solche Übermacht können wir nicht kämpfen. Wir brauchen Eure Hilfe.«
»Warum sollte ich dir helfen?«, fragte Marsch. »Dir, der du mir nicht das gibst, was ich brauche?«
»Aber ich war immer treu ergeben«, verteidigte sich Yomen. »Während alle anderen den Obersten Herrscher verlassen haben, habe ich ihm weiter gedient.«
»Der Oberste Herrscher ist tot«, schnaubte Marsch. »Auch er war ein nutzlos gewordener Diener.«
Yomen wurde bleich.
»Diese Stadt wird unter dem Zorn von vierzigtausend Kolossen brennen«, sagte Marsch.
Vierzigtausend Kolosse, dachte Vin. Irgendwie hatte er noch mehr gefunden. Ein Angriff schien das Vernünftigste zu sein. Er konnte die Stadt einnehmen, und vielleicht gelang Vin in dem Chaos sogar die Flucht. Das war logisch und klug. Doch plötzlich wurde Vin eines klar.
»Elant wird nicht angreifen«, verkündete sie.
Sechs Augen – zwei menschliche, zwei aus Stahl und zwei unkörperliche – richteten sich auf sie.
»Elant wird nicht so viele Kolosse auf die Stadt loslassen«, sagte sie. »Er versucht Euch einzuschüchtern, Yomen. Hört mir zu. Wollt Ihr immer noch dieser Kreatur, diesem Inquisitor gehorchen? Er verachtet Euch. Er will, dass Ihr sterbt. Verbündet Euch stattdessen mit uns.«
Yomen runzelte die Stirn.
»Ihr könntet zusammen mit mir gegen ihn kämpfen«, schlug Vin vor. »Ihr seid ein Allomant. Diese Ungeheuer sind nicht unbesiegbar.«
Marsch lächelte. »Seit wann bist du Idealistin, Vin?«
»Idealistin?«, fragte sie und wandte sich dem Geschöpf zu. »Hältst du es für idealistisch, wenn ich glaube, dass ich einen Inquisitor töten kann? Du weißt, dass ich es schon einmal getan habe.«
Marsch machte eine abweisende Handbewegung. »Ich rede nicht von deinen dummen Drohungen. Ich rede von ihm.« Er deutete mit dem Kopf auf die Armee. »Dein Elant gehört zu Ruin, genau wie ich – und du. Wir alle leisten zuerst Widerstand, aber schließlich beugen wir uns doch vor ihm. Erst dann erkennen wir die Schönheit, die in der Zerstörung liegt.«
»Dein Gott beherrscht Elant nicht«, sagte Vin. »Er behauptet es zwar immer wieder, aber er ist ein Lügner. Oder selbst ein Idealist.«
Yomen beobachtete die beiden verwirrt.
»Und wenn er doch angreift?«, fragte Marsch mit leiser, erwartungsvoller
Stimme. »Was würde das bedeuten, Vin? Was ist, wenn er seine Kolosse mit all ihrem Blutdurst auf diese Stadt losschickt, wenn er ihnen befiehlt, alle Einwohner abzuschlachten, damit er das bekommt, was er unbedingt haben will? Atium und Nahrung haben ihn nicht zum Angriff gereizt … aber was ist mit dir? Wie würdest du dich dann fühlen? Du hast für ihn getötet. Warum glaubst du, dass
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