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Seine Lordschaft lassen bitten

Titel: Seine Lordschaft lassen bitten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Das Bild im Spiegel
    Der kleine Mann mit der Schmachtlocke schien so vertieft in das Buch, daß Wimsey es nicht über sich brachte, sein Eigentum zurückzufordern, sondern den anderen Sessel heranzog, sein Glas in Reichweite stellte und sich, so gut es ging, die Zeit mit dem Dunlop-Buch vertrieb, das, wie üblich, einen der Tische in der Halle zierte.
    Der kleine Mann las, die Ellbogen auf die Armlehne seines Sessels gestützt, den roten Krauskopf begierig über den Text gebeugt. Er atmete schwer, und als er eine Seite umblätterte, legte er den dicken Band auf die Knie und benützte dazu beide Hände. Nicht gerade das, was man einen Bücherwurm nennt, fand Wimsey.
    Als der Mann mit der Geschichte zu Ende gekommen war, blätterte er umständlich zurück und las eine Stelle mit großer Aufmerksamkeit noch einmal. Dann legte er das geöffnete Buch auf den Tisch und begegnete dabei Wimseys Blick.
    »Entschuldigen Sie, Sir«, sagte er mit ziemlich dünner Stimme und unverkennbarem Cockney-Akzent, »ist das Ihr Buch?«
    »Das macht gar nichts«, antwortete Wimsey liebenswürdig, »ich kenne es schon auswendig. Ich habe es nur mitgebracht, weil es so angenehm ist, ein paar Seiten darin zu lesen, wenn man an einem Ort wie diesem für die Nacht festsitzt. Man kann es immer wieder aufschlagen und findet stets etwas Unterhaltsames darin.«
    »Dieser Wells«, setzte der rothaarige Mann das Gespräch fort, »das ist doch ein sehr gescheiter Schriftsteller, nicht wahr? Großartig, wie er alles so wirklich und lebenswahr darstellt, und doch möchte man manche Sachen, die er erzählt, kaum für möglich halten. Nehmen Sie nur diese Geschichte da; würden Sie sagen, Sir, so eine Sache konnte tatsächlich jemand passieren, etwa Ihnen – oder mir?«
    Wimsey reckte den Hals, um einen Blick auf das Buch zu werfen.
    »›Das Plattner-Experiment‹«, sagte er, »das ist die Geschichte von dem Schulmeister, der in die vierte Dimension fortgeweht wurde, und als er zurückkam, waren seine rechte und linke Körperhälfte vertauscht. Nun, ich glaube nicht, daß sich so etwas im wirklichen Leben zuträgt, aber natürlich ist es sehr verlockend, mit der Vorstellung einer vierten Dimension zu spielen.«
    »Na...« Der Mann stockte und sah schüchtern zu Wimsey auf. »Das mit der vierten Dimension verstehe ich nicht so recht. Ich wußte nicht, daß es so einen Ort gibt. Aber für Leute, die wissenschaftlich gebildet sind, macht er das zweifellos klar und einleuchtend. Doch diese Rechts- und Linksgeschichte – nun, von der weiß ich, daß sie Tatsache ist. Aus Erfahrung, wenn Sie mir glauben wollen.«
    Wimsey hielt ihm seine Zigarettendose hin. Der kleine Mann machte eine instinktive Bewegung mit der Linken, schien sich dann zu korrigieren und streckte die rechte Hand danach aus.
    »Da, sehen Sie. Ich bin immer linkshändig, wenn ich nicht daran denke. Genau wie dieser Plattner. Ich kämpfe dagegen an, aber anscheinend zwecklos. Doch das würde mir nichts ausmachen – es ist eine Kleinigkeit, eine Menge Leute sind Linkshänder und denken sich nichts dabei. Nein. Es ist die schreckliche Angst, daß ich nicht weiß, was ich tue, wenn ich in dieser vierten Dimension bin – oder was das nun ist.«
    Er seufzte tief.
    »Es quält mich. Es quält mich entsetzlich.«
    »Wie wär's, wenn Sie es erzählen würden«, sagte Wimsey.
    »Ich spreche nicht gern darüber, die Leute könnten glauben, bei mir ist eine Schraube locker. Aber es geht mir langsam ganz schön auf die Nerven. Jeden Morgen, wenn ich aufwache, frage ich mich, was ich in der Nacht getrieben habe und ob es auch der Tag im Monat ist, der es von Rechts wegen sein sollte. Ich habe keine Ruhe, bis ich die Morgenzeitung sehe, und sogar dann kann ich nicht sicher sein.
    Gut, ich werde Ihnen erzählen, wenn Sie es nicht lästig oder aufdringlich finden. Das Ganze fing an...« Er brach ab und blickte sich scheu um. »Es ist niemand zu sehen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Sir, einen Augenblick Ihre Hand hierher zu legen.«
    Er knöpfte seine ziemlich kümmerliche zweireihige Weste auf und zeigte auf den Teil seines Körpers, der gewöhnlich als Sitz des Herzens gilt.
    »Gewiß«, sagte Wimsey und tat, worum er gebeten war.
    »Fühlen Sie etwas?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Wimsey. »Was soll ich denn fühlen? Eine Schwellung oder so etwas? Wenn Sie Ihren Pulsschlag meinen, dann ist das Handgelenk dafür besser geeignet.«
    »Oh, Sie können ihn hier sehr gut spüren«, sagte der kleine

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