Herrscher
Zna-yat. Bisher hatte er keine Nachricht erhalten, ob Dargu tot war oder lebte, also verschwieg er seine Bedenken. Er hatte Sorge, was vielleicht die Folge wäre, falls eine Mitteilung ihres Todes eintraf. Die Ork-Leibwache konnte beschließen, aus Taiben abzuziehen, wenn die neue Königin nicht befahl, dass sie bleiben sollte. Ob sie es tat, konnte Zna-yat unmöglich voraussehen.
Die Ankunft etlicher Flauen, die Essen hereinschafften, unterbrach Zna-yats und Maghta-jans Gespräch. Überrascht bemerkte Zna-yat, dass die Flau an der Spitze der langen Reihe ein Brandzeichen auf der Stirn trug. Das bedeutete, es hatte in einem Regiment gedient. Immerhin war das eine Verbesserung. Seit sich Söhne im Palast der Großen Mutter der Washavoki aufhielten, hatten bislang nur ungebrandmarkte Flauen Essen serviert. Überdies sprach die gebrandmarkte Flau die gebührenden Worte. »Saf nak ur Muthz’la.« Nahrung ist Muth’las Geschenk. Auch das musste man als Fortschritt bewerten.
»Shashav, Muth’la«, riefen die Orks im Chor. Danke. Muth’la.
Danach bedienten die Flauen die Söhne. Anders als im Regiment setzten sie ihnen die Speisen auf Servierplatten vor. Als eine Flau Zna-yats Gericht vor ihm abstellte, versuchte sie »Muth’la urak tha saf la«, zu sagen – Muth’la schenkt dir dieses Essen –, aber man konnte den Satz kaum verstehen. Trotzdem fühlte sich Zna-yat durch den guten Willen ermutigt, wohlerzogenes Benehmen zu zeigen.
Leider war die Mahlzeit kaum besser als im Regiment. So wie beim Heer bestand sie hauptsächlich aus gekochten
Wurzeln und Brei. Allerdings gab es auch Fleisch, eine Seltenheit. Nur war es fast verdorben, eine Tatsache, die Zna-yats feiner Nase trotz der starken Würzung nicht entging. Er rührte das Fleisch nicht an.
Nach dem Abendessen kehrten die Flauen wieder zurück, sammelten die Servierplatten ein und entfernten sich bis zum nächsten Tag.
Anschließend betrat ein einzelnes, in Blau und Scharlachrot gekleidetes Washavoki die Unterkunft. Schon das empfand Zna-yat als ungewöhnlich. Außerhalb von Muth’las Umarmung blieb es stehen und tat etwas noch Unerwarteteres: Es redete, obwohl schlecht, in der Müttersprache. »Ma pahav Zna-yat.« Ich sprechen Zna-yat.
Zna-yat stand auf und näherte sich dem Washavoki. Es kam ihm bekannt vor, bloß sahen die meisten Washavoki so ziemlich gleich aus. Höflich verbeugte sich das Washavoki und sagte noch etwas. »Ma nav Sevren.« Ich bin Sevren.
Zna-yat nickte. »Ich bin Zna-yat«, gab er auf Orkisch zur Antwort.
Das Washavoki verbeugte sich ein zweites Mal und redete in der Müttersprache weiter. »Ich … bringen Dargu-yat …« Mit den Fingern ahmte er ein galoppierendes Pferd nach. »… bringen nach …« Offenbar kannte es die erforderlichen Worte nicht.
»Zum Familiensitz?«, fragte Zna-yat. »Zur Heilerin?«
Mit den Schultern deutete das Washavoki eine Geste der Ratlosigkeit an. »Du hören? Sie leben? Sie tot?«
Es will wissen, ob Dargu lebt oder tot ist, schlussfolgerte Zna-yat. Er antwortete, als unterhielte er sich mit einem Kind. »Du da gewesen. Du sehen.«
»Ich nicht sehen. Mutter sagen: Geh. Dargu-yat leben? Dargu-yat tot?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Zna-yat. Begriffsstutzig schaute das Washavoki ihn an. »Mütter nicht sagen«, fügte Zna-yat hinzu. »Ich nicht hören.«
»Du nicht hören?«
»Hai.«
Tief verneigte sich das Washavoki. »Shashav, Zna-yat.«
Zna-yat blickte dem Washavoki nach. Er empfand diese Begegnung als sonderbar und durchschaute nicht, was er davon halten sollte, außer dass er nun wusste, dass die Washavoki bislang über Dargus Schicksal so wenig erfahren hatten wie er. Er erwog die Möglichkeit, dass Könnigirta das Washavoki geschickt hatte, weil es die Farben der Königlichen Garde trug, doch er vermutete, dass es aus eigenem Antrieb gehandelt hatte. Zna-yats Umgang hatte ihn inzwischen gelehrt, Washavoki-Mienen zu deuten.
Das Washavoki war traurig, dachte er. Überdies hatte sein orkischer Geruchssinn ein anderes, noch rätselhafteres Gefühl entdeckt. Das Washavoki war verliebt.
In sicherem Abstand zur Ork-Unterkunft wartete ein Häuflein Gardisten auf Sevren. Zu ihnen zählte auch Valamar. Er grinste, als er seinen Freund zurückkehren sah. »Rückt die Mäuse raus, Kameraden. Er kommt wohlbehalten zurück.«
Als Sevren sich zu ihnen gesellte, zahlten die Männer Valamar den Wetteinsatz aus. »Was ist aus der Ork-Hure geworden, Sevren?«, fragte einer der
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