Herrscherin des Lichts
schwebte eine schwarze Rabenfeder von oben herab und deckte Garrets blicklose Augen zu.
26. KAPITEL
D er Morgen der Krönungszeremonie brach an, doch wie eine Königin fühlte Ayla sich noch immer nicht.
Ihre Kammerzofen halfen ihr beim Ankleiden. Nicht weil sie als Machthaberin für alles und jedes Bedienstete hatte, die ihr die Arbeit abnahmen, sondern weil sie, obwohl die Heiler in den vergangenen Wochen ihr Bestes gegeben hatten, nach wie vor mit den Folgen ihrer Verletzungen kämpfte und ihre Bewegungen steif und ungelenk waren.
„Es ist nur eine Formalität“, hatte Cedric sie am Abend zuvor beruhigt. „Es geht nicht darum, Euch zu begutachten oder sich ein Urteil über Euch zu bilden. Ihr seid bereits die neue Königin.“
Das half ihr allerdings wenig, so ganz allein, wie sie dem Ereignis nun entgegenblickte, als einzige Gesellschaft ihre schweigend und konzentriert arbeitenden Zofen. Cedric hatte sich schon vor Stunden entschuldigt, da er bei den Vorbereitungen der Zeremonie gebraucht wurde, und es gab niemanden sonst, der ihr hätte Mut zusprechen können. Egal wie oft er ihr versichert hatte, es gäbe keinen Grund, Angst zu haben, sie würde sich trotzdem wie eine Todeskandidatin auf dem Weg zum Schafott fühlen, wenn sich erst die Türen zum Thronsaal öffneten und sie hindurchgehen musste.
Die Gewänder, in die man sie kleidete, stammten dieses Mal nicht aus Mabbs ehemaligen Beständen, sie waren extra für sie maßgeschneidert worden. Aus goldfarbener Seide, der weiche fließende Stoff ihre Sillhouette umspielend, reichte sie vom Hals bis zu den Zehen, und die langen Ärmel hingen weit über ihre Fingerspitzen herab. Sie vermutete, dass diese Aufmachung sie wie eine Göttin wirken lassen sollte, aber innerlich kam sie sich eher wie eine Heuchlerin vor.
„Eure Hoheit?“, fragte eine der Dienerinnen untertänig, wobei sie einen in Juwelen eingefassten Spiegel zurechtrückte. „Findet alles Eure Zustimmung?“Ayla betrachtete ihr Spiegelbild, ihr offenes, über ihre Schultern fallendes Haar, den hohen Kragen, unter dem ihre Gildentätowierung verschwand. Sie rollte ihn ein Stück hinunter und schob ihre Haare nach hinten. „Dieses Zeichen ist nichts, dessen ich mich schäme“, stellte sie klar, bemüht, dabei einen königlichen Tonfall anzuschlagen, sodass ihre Zofen verstanden, wie ernst es ihr war. „Ich wünsche, dass die Schnitte meiner Kleider zukünftig entsprechend angepasst werden und es nicht verdecken.“
„Selbstverständlich, Eure Majestät“, antworteten ihre Untergebenen im Chor und verneigten sich pflichteifrig. Und das gab ihr ein bisschen mehr Selbstvertrauen.
Sie ging an der Spitze einer Reihe ihrer Kammerzofen, die ihr, immer zwei nebeneinander, in gebührendem Abstand folgten, alle sorgfältig herausgeputzt für den feierlichen Anlass. Vor ihr marschierten zwei Wachen, und auch an den Flanken der Prozession hinter ihr. Die Hallen waren abermals verlassen, aber der Grund hierfür ein anderer als beim letzten Mal. Der komplette Hofstaat hatte sich im Thronsaal eingefunden, inklusive der ranghöchsten Vertreter der verschiedenen Gilden des Reiches.
Schließlich stand sie vor den großen Flügeltüren. Sie wurden von innen geöffnet, quälend langsam, und gaben mit jedem Zentimeter den Blick auf immer weitere neugierige Gesichter frei. Alle Anwesenden machten lange Hälse, um ihre Königin zu sehen. Es gab kein Zurück mehr. Sie schritt durch die Türen, das Kinn hoch erhoben, die Augen fest geradeaus auf den Thron gerichtet.
Ein Raunen ging durch die Menge, folgte ihr, als sie vorbeiging, wie das Rauschen eines Strudels im Wasser. Ihre Flügel waren verhüllt, sodass niemand die Narben sah, die ihre Verletzung hinterlassen hatte. Es war auch so genug über ihr Duell mit Garret spekuliert worden, und sie wollte weiterem Tratsch keinen Vorschub leisten.
Von dem erhöhten Podest aus, auf dem ihr Thron stand, hatte sie einen guten Überblick, auch noch, als sie sich setzte. Die namenlosen Höflinge, die Heilergilde, die Gilde der Barden und natürlich die Assassinengilde, alle waren hier, um ihrer Krönung beizuwohnen. In der vordesten Reihe der Letztgenannten saß Cedric, zufrieden, gleichzeitig aber auch ernst aussehend. Vielleicht hatte er wieder eine seiner Notlügen gebraucht, als er behauptete, es ginge nicht darum, dass Ayla einen guten Eindruck machte, denn er schaute drein, als erwarte er das alles entscheidende Urteil der übrigen Anwesenden.
Jetzt, ihrem
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