Herz an Herz mit dem Boss?
aufzustehen und den Laptop einzuschalten.
Ihre wortreiche Dankbarkeit fing an, ihm auf die Nerven zu gehen. Er hatte gehofft, jene faszinierende neue Seite von ihr wiederzusehen, die er hatte durchschimmern sehen, aber bislang war es damit nichts. Allerdings war seine Hoffnung, dass die Anwesenheit Jamies unangenehme Gespräche mit seiner Familie verhindern würde, durchaus erfüllt worden.
In einem der Zimmer im Erdgeschoss hatten sie sich ein behelfsmäßiges Büro eingerichtet, doch der klimatisierte Raum fühlte sich leblos an, wenn man durch das Fenster auf die weiten Gärten mit ihrer tropischen Blütenpracht und den Palmen hinaussah. Also hatten sie sich ein schattiges Plätzchen auf der Veranda gesucht. Was allerdings bedeutete, dass sie allen möglichen Ablenkungen ausgesetzt waren – manchmal von einem der vier Kinder seiner Schwestern, manchmal von seinen Schwestern. Ab und zu tauchte seine Mutter mit kalten Getränken auf und plauderte mit Jamie, die sie offenbar sehr mochte.
Doch wenn sie allein miteinander waren, ließ sich Jamie nicht von dem abbringen, was sie für den Hauptgrund ihres winterlichen Ausflugs hielt. Kaum, dass sie unter sich waren, drehten sich ihre Gespräche ausschließlich um die Arbeit und eine Serie von Flipcharts, die Ryan nicht interessierten und die er ohnehin wahrscheinlich nicht benutzen würde. Jamie stellte ihm unzählige Fragen über verschiedene technische Details der Automobilherstellung, wobei sich ihr erstaunlich breit gefächertes Wissen zeigte. Doch wenn Ryan nur den leisesten Versuch machte, das Gespräch auf ein interessanteres oder persönlicheres Thema zu lenken, machte sie dicht, und ihm blieb nichts anderes übrig, als zum eigentlichen Thema zurückzukehren.
Gerade hatten sie zu Abend gegessen. Zwei seiner Schwestern waren dabei, ihre Kinder zu Bett zu bringen, welche alle zwischen drei und sechs Jahre alt waren. Die beiden Schwestern waren ziemlich herrisch und hatten ihren Männern, Tom und Patrick, allerlei Erledigungen aufgetragen. Susie, seine dritte Schwester, die zwei Jahre älter war als er, war mit ihrem Mann bereits nach England zurückgeflogen. Dadurch war es etwas ruhiger im Haus geworden. Sobald die anderen beiden sich auf den Heimweg gemacht hätten, würde es noch stiller werden.
Gedankenversunken genoss Ryan die Stille der Gärten. Dass Jamie in der Nähe war, wusste er nur, weil er sie leise reden hörte.
Unwillkürlich spitzte er die Ohren. Er hatte angenommen, dass sie sich mit einer Tasse Kaffee in den Wintergarten gesetzt hatte.
Natürlich wusste er, dass es mehr als unhöflich war, seine Anwesenheit nicht durch ein Geräusch zu verkünden. Dennoch bemühte er sich, so leise wie möglich zu sein. Wenn sie sich umgesehen hätte, würde sie ihn gesehen haben, obwohl es dunkel war und dieser Teil des Gartens dicht bewachsen war. Er reichte bis zu dem Pool am Rande des Kliffs, auf dem das Haus stand.
Der laue, salzige Abendwind strich über die Palmwedel, Blätter und Blüten. In der Ferne erstreckte sich das Meer schwarz und glatt bis zum Horizont. Hier unten, auf der kleinen Steintreppe, entdeckte er Jamie, die leise in ihr Handy sprach.
Ryan hatte ihr ganz am Anfang gesagt, dass sie den Hausanschluss benutzen konnte, wenn sie telefonieren wollte. Aber sie hatte sich zum Pool geschlichen, um … ja, was eigentlich? Um ein heimliches Telefonat zu führen? Aber mit wem? Mit dem Tierarzt, natürlich.
Er kniff die Lippen zusammen, rannte die Treppe hinunter und stand so plötzlich vor ihr, dass sie aufschrie und das Telefon fallen ließ.
„Oh nein! Habe ich dich erschreckt?“ Er bückte sich, um das Handy aufzuheben, das in Einzelteilen auf dem Boden lag.
Jamie reckte sich, um es ihm abzunehmen, während er es wieder zusammensetzte, es ans Ohr hielt, es schüttelte und dann mit den Schultern zuckte. „Die Verbindung ist weg. Tut mir leid. Kann sein, dass es kaputt ist.“
„Was machst du hier?“ Während der letzten drei Tage hatte sie es vermieden, mit ihm allein zu sein. Fernab des vertrauten Büros hatte sie sich in diesem tropischen Paradies verletzlich und bedroht gefühlt. Ryan war ihr viel zu präsent. Es war ihr zu viel, dass er barfuß in Shorts mit nacktem Oberkörper herumlief und immer brauner wurde. Es war ihr zu viel, dass er sich herumfläzte und seine Schwestern neckte. Es war ihr zu viel, dass er mit den Kindern herumalberte, die ihn offensichtlich anbeteten. Es war ihr zu viel, dass er ein Mann war und nicht
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