Herz an Herz mit dem Boss?
Übertrieben heftig schloss Jamie die Geschirrspülmaschine und trocknete sich die Hände ab.
„ Du musst dich nicht mit einem Ehemann herumschlagen, der von dir erwartet, dass du lächelnd zu Hause sitzt und dich darauf freust, dass er endlich nach Hause kommt, damit du ihn bekochen und ihm den Rücken massieren kannst. Wie so eine grässliche perfekte Hausfrau!“
„Wie wäre es, wenn du dir einen Job suchst?“
„Ich hatte einen Job. Ich hatte sogar acht Jobs! Aber was kann ich dafür, wenn die alle nichts für mich waren? Außerdem weiß ich nicht, warum ich für das bisschen Geld arbeiten gehen soll, wo Greg doch so gut verdient.“
Jamie sagte nichts. Sie wollte nicht an Greg denken. An ihn zu denken verdarb ihr grundsätzlich die Laune. Einst war er ihr Chef gewesen. Einst hatte sie gemeint, in ihn verliebt zu sein – das angenehme Gefühl heimlicher Sehnsucht hatte ihrem Leben Würze gegeben und die lästige Pflicht, sich um ihre kleine Schwester zu kümmern, erträglicher gemacht. Einst war sie so töricht gewesen zu denken, dass er eines Tages feststellen würde, dass sie ihm so viel bedeutete wie er ihr. Doch leider hatte er dann Jessica kennengelernt, und es war Liebe auf den ersten Blick gewesen.
„Und hast du darüber nachgedacht, etwas Ehrenamtliches zu machen?“, hakte Jamie genervt nach.
„Oh, ich bitte dich! Kannst du dir wirklich vorstellen, dass ich so etwas machen würde, Jamie? In einer Suppenküche in Edinburgh arbeiten? Oder mit alten Omas Wohltätigkeitsbasare veranstalten?“ Jessica betrachtete ihre knallrosa lackierten Fußnägel. „Mir ist langweilig“, maulte sie. „Ich habe das alles satt und möchte etwas aus meinem Leben machen. Ich bin viel zu jung, um in einem öden Vorort von Edinburgh herumzuhängen und auf Greg zu warten, der sich für nichts anderes interessiert als für kranke Tiere.“
Jamie wandte sich ab und schloss einen Moment lang die Augen. Es war Jahre her, dass sie Greg zum letzten Mal gesehen hatte, aber sie erinnerte sich an ihn, als sei es gestern gewesen. An sein freundliches Gesicht, seine grauen Augen, die Fältchen in den Augenwinkeln, wenn er lächelte, und daran, wie er sich ständig mit der Hand durch sein blondes Haar fuhr.
Die Vorstellung, dass ihre Schwester sich mit ihm langweilte, erfüllte Jamie mit Entsetzen. Genau genommen war Greg ihre Rettung gewesen – er hatte ihr die Aufgabe, sich um Jessica zu kümmern, abgenommen. Vielleicht brauchte Jessica ihn nicht, aber Jamie brauchte ihn auf jeden Fall.
„Er ist verrückt nach dir, Jess!“
„Viele Männer sind verrückt nach mir.“
Jamie erstarrte. „Wie meinst du das? Hast du … Du machst doch keine Dummheiten, oder?“
„Sei doch nicht so verklemmt!“ Seufzend warf Jessica den Kopf in den Nacken und starrte mit glasigem Blick an die Decke. „Nein, ich mache keine Dummheiten, falls du damit meinst, dass ich eine Affäre habe oder so. Obwohl, wenn ich es mir überlege …“
Zumindest ließ Jessica die Möglichkeit im Raum stehen, und Jamie hätte ihr am liebsten eine geklebt. Doch aus jahrelanger Erfahrung wusste sie, dass ihr Ärger schnell verfliegen würde. Und in der Hoffnung, dass es sich irgendwann erübrigen würde, war es das Beste, dieses Thema zu meiden. Während sie sich noch fragte, womit sie am besten davon ablenken konnte, klingelte es an der Tür.
„Bestimmt irgendwer, der mir irgendetwas aufschwatzen will“, murmelte sie, erleichtert über die willkommene Ablenkung. „Jess, bitte ruf Greg wenigstens an. Er macht sich sicherlich furchtbare Sorgen um dich.“
Sie ließ eine schlecht gelaunte Jessica in der Küche zurück, die sie darüber informierte, dass sie nicht vorhatte, ihren Mann anzurufen, dass dieser genau wisse, wo sie sei und dass sie ihren Freiraum brauche.
Jamie fragte sich, wie lange Greg das mitmachen würde, und dachte noch immer darüber nach, während sie die Haustür öffnete.
Als sie Ryan auf der Schwelle stehen sah, war sie so erschüttert, dass sie einen Moment lang nicht wusste, was sie denken sollte.
Nicht ein einziges Mal war er bisher bei ihr gewesen. Selbst wenn sie zu einem Meeting außerhalb Londons mussten, hatte er sie nie zu Hause abgeholt oder abgesetzt. Eigentlich hatte sie angenommen, dass er nicht einmal wusste, wo sie wohnte.
Als sie schließlich begriffen hatte, wen sie sah, fragte sie mit heiserer Stimme: „Was machst du denn hier?“
„Du warst so gestresst heute. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Darum
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