Herz auf Umwegen
nicht, ihren Gefühlen Raum zu geben. Sie hielt sich an dieser blöden Regel fest. Basierend auf schlechten Erfahrungen, wie Grit ihr gestanden hatte. Kein Problem, dachte Katja. Grit brauchte einfach etwas Zeit, sie besser kennenzulernen. Dann würde sie ihre Bedenken schon über Bord werfen. Also hatte Katja der Freundschaft Zeit zum Wachsen gegeben. Bis heute. Genaugenommen bis vor einer Woche. Da begann sie den Moment zu planen, der Grit und sie zusammenbringen sollte. Richtig zusammen.
Und nun das: Regel Nummer eins. Schon wieder, immer noch. Das war doch zum Verzweifeln!
»Ich verstehe das nicht.« Katja bemühte sich, ihrer Stimme keinen jammernden Unterton beizumischen, obwohl ihr durchaus jämmerlich zumute war. »Du bist gern mit mir zusammen. Das hast du gesagt und ich spüre das auch. Und nur wegen einer schlechten Erfahrung blockst du alle Gefühle mir gegenüber ab? Nur, weil ich deine Kollegin bin.«
»Ich weiß ja selbst, dass das bescheuert ist, aber ich komm´ nun mal nicht dagegen an.« Grit hob verzweifelt die Hände. »Du hast das nicht erlebt. Plötzlich ist nicht nur die Beziehung im Eimer, sondern auch der Job geht den Bach runter. Alles zerbricht, dein Leben ist ein einziger Scherbenhaufen. Ich habe mir geschworen, ein zweites Mal passiert mir so was nicht.«
Nicht zum ersten Mal verspürte Katja den Wunsch, der Frau, die Grit das angetan hatte, den Hals umzudrehen. Frauen wie Grits Ex mussten wirklich total gestört sein, dass sie so von einem Extrem ins andere fielen. Erst die große Liebe, dann die große Gehässigkeit. Und wer musste es ausbaden?
Katja strich Grit in Gedanken zärtlich übers Haar. Wenn sie ihr doch nur begreiflich machen könnte, dass die Angst völlig unbegründet war. Niemals würde sie Grit etwas Böses antun. Sie hatte sogar darüber spekuliert, ob sie kündigen solle, um das Problem aus der Welt zu schaffen. Aber leider lagen die Jobs nicht auf der Straße.
Es brauchte also mehr Geduld. Die aufzubringen, fiel Katja zwar schwer, doch was sein musste, musste eben sein. Und natürlich galt es achtzugeben, dass nicht irgendeine andere Frau daherkam und ihr Grit ausspannte. Da war zum Beispiel diese hübsche Serviererin in ihrem gemeinsamen Lieblingscafé, die es Grit eine Weile lang angetan hatte. Bevor Grit vom Stadium der Schwärmerei in die aktive Phase übergehen konnte, hatte Katja kurzerhand eine üble Magenverstimmung vorgetäuscht. Ursache war eindeutig der Milchschaum auf dem Cappuccino, der auch bedenklich säuerlich geschmeckt hatte. Jedenfalls behauptete Katja das und machte klar, dass sie beabsichtigte, nie wieder einen Fuß in dieses Café zu setzen.
»Schon gut, beruhige dich. Ist ja nichts passiert. Wahrscheinlich hast du recht. Ich habe mir da was eingebildet«, lenkte Katja ein. Sie ahnte, dass es sie nicht weiterbringen würde, auf dem Gegenteil zu bestehen. Sie würde sich den Mund fusselig reden, aber Grit nicht überzeugen können. Der heutige Abend war eben ein Reinfall. Damit galt es, sich abzufinden. Bevor sich in Katja Frust ausbreiten konnte, sandte ihr Hirn einen rettenden Gedanken. Bei genauerer Überlegung hatte dieser Reinfall auch etwas Gutes. Nun konnte sie Grit zeigen, dass sie ganz entspannt und undramatisch mit einer Absage umging. Katja strahlte förmlich, als sie sich bei Grit einhakte und verkündete: »Wir sind Freundinnen. Und das bleibt auch so.« In Gedanken fügte sie hinzu: Bis ich dich, eines hoffentlich nicht mehr allzu fernen Tages davon überzeugt habe, dass ich die Richtige für dich bin.
2. Kapitel
Katja gab normalerweise nicht viel auf Gerüchte. Aber an diesem musste etwas dran sein, denn es schwebte nun schon seit einiger Zeit durch die Büroräume des Sportlabels und hielt sich hartnäckig. Der Marktriese FORCE interessierte sich für das kleine Sporttextillabel AKTIV SPORTS. Bisher nur im Segment der Sportgeräte vertreten, wollte FORCE nun auch seine eigene Bekleidung auf den Markt bringen. Dabei gedachte man, es sich so einfach wie möglich zu machen. Und was war einfacher, als ein gut etabliertes Label kleiner bis mittlerer Größe zu kaufen und in den Mutterkonzern zu integrieren?
Die Kollegen reagierten unterschiedlich auf die von offizieller Seite noch unbestätigte Neuigkeit. Die einen versetzte die Übernahmetheorie in Unruhe, weil sie um ihren Job fürchteten. Die anderen sahen es gelassen und meinten, wenn es so weit käme, würde ihnen
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