Herz aus Eis
fangen an zu brüllen, ich hätte ihn umgebracht. Es gab eine Schlägerei, und jemand hat mich mit einem harten Gegenstand auf den Kopf geschlagen. Dann bin ich erst wieder hier in der Zelle aufgewacht. Ich glaube, ich habe noch gehört, daß sie mich lynchen wollten.«
Houston blickte mit ängstlichen Augen zu ihm hoch. Nach einer Weile stand sie auf und wanderte in der Zelle auf und ab. »Das ist eine schwache Geschichte.«
»Schwach!« keuchte Kane und beruhigte sich dann wieder. »Houston, Liebling, das ist die Wahrheit! Ich schwöre es!«
»Außer dir ist niemand im Haus gewesen? Du hast keine Zeugen, daß Fenton bereits tot war, als du ihn besuchen wolltest?«
»So war es nicht. Ich meine, es hat vermutlich niemand gesehen, wann ich Fentons Haus betreten habe. Aber vielleicht gibt es Zeugen, die bestätigen können, daß er schon vorher tot war.«
»Das ist kein Beweis. Wenn jemand tatsächlich gesehen hat, wie er starb, wäre das etwas anderes. Aber du könntest dich ja schon ein paar Stunden vorher in einem Schrank versteckt haben. Gibt es einen Zeugen, der gesehen hat, wie Fenton starb?«
»Ich . . . ich weiß es nicht. Aber, Houston . . .«
»Kane«, sagte sie leise und blickte ihn wieder an. »Warum bist du in Mr. Fentons Haus gegangen? Du hattest dir doch nicht vorgenommen, ihn umzubringen, oder doch?«
»Teufel, nein«, sagte er rasch. »Ich habe mir von Mr. Westfield ein Dokument aufsetzen lassen, in dem steht, daß ich auf alle meine Ansprüche, das Vermögen von Jacob Fenton betreffend, verzichte, und ich wollte Fenton dieses Dokument überbringen. Worüber ich aber jetzt mit dir reden wollte, ist mein Geld. Falls sie mich verurteilen, werden sie alles beschlagnahmen, was ich besitze. Du wirst nicht nur eine Witwe, sondern auch so arm wie eine Kirchenmaus sein. Du hast nur eine Chance, etwas von diesem Geld zu retten — du mußt mich verlassen, ehe sie mir den Prozeß machen. Wenn du das tust, kann Westfield es so hinbiegen, daß du ein paar Millionen bekommst.«
Houston hörte beim letzten Teil der Rede kaum noch zu. Ihr Gesicht verriet, daß sie über alle Maßen erstaunt war. »Warum bist du in Fentons Haus gegangen?« flüsterte sie.
»Das habe ich dir doch eben gesagt«, erwiderte er ungeduldig. »Ich wollte ihm ein Papier überbringen, in dem steht, daß ich auf meine Ansprüche verzichte. Der arme alte Mann — er war schon tot, als ich in sein Haus kam, und er hat dieses Papier nicht mehr lesen können. Aber, Houston, jetzt kommt es doch nur darauf an, daß du dich rettest, und das muß sofort geschehen. Wenn sie mich hier herausholen und lynchen, ist es zu spät.«
Houston hatte ein Gefühl, als träumte sie. Seit sie erfahren hatte, daß Kane sie nur geheiratet hatte, um seinen Racheplan in die Tat umsetzen zu können, war etwas in ihr verschüttet worden. Sie hatte sich zwar eingestehen müssen, daß sie ihn immer noch liebte, obwohl er sie nur als Werkzeug benutzte; aber im Grunde ihres Herzens hatte sie gespürt, daß sie ihm nicht mehr so rückhaltlos ihre Liebe schenken konnte wie zuvor.
»Du hast deine Rache aufgegeben, nicht wahr?« fragte sie leise.
»Hackst du schon wieder darauf herum? Habe ich dir nicht immer wieder gesagt, daß ich nichts anderes wollte, als ihn in mein Haus, das größer sein sollte als seines, zum Dinner einzuladen. Was war so verkehrt daran?«
»Aber du wolltest auch, daß eine Lady als deine Frau am Tisch sitzen sollte. Du hast mich nur geheiratet, damit ich . . .«
»Du hast mich nur meines Geldes wegen geheiratet!« unterbrach er sie hitzig. »Und nun wirst du jeden Penny verlieren, wenn sie mich für einen Mord aufhängen, den ich gar nicht begangen habe.«
Houston stand mitten in der Zelle. Er hatte ihr — nicht mit einem Wort — gesagt, daß er sie liebte; und hatte es dennoch getan. Sie wußte es. Sie wußte es in jeder Faser ihres Körpers. Er hatte sie als Teil eines stupiden Racheplans geheiratet; doch am Ende hatte er sich in sie verliebt. Und weil er sie liebte, hatte er einem alten Mann, der ihm Unrecht getan hatte, verzeihen können.
»Ich muß jetzt gehen!« sagte sie. »Ich habe eine Menge zu erledigen.«
Wenn sie Kane in diesem Moment angesehen hätte, hätte sie den Schmerz in seinen Augen lesen können. »Ich schätze, du mußt mit Mr. Westfield über das Geld reden.«
»Mit jemandem muß ich reden«, murmelte sie, während sie sich die Handschuhe wieder überstreifte. »Vielleicht ist Mr. Westfield nicht die richtige
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