Herz aus Eis
Riese versucht, sie aus dem Boden zu ziehen, und nachdem er sie schon halb über der Erde hatte, verlor er die Lust daran und ließ sie liegen.«
Houston aß gerade eine von den Brezeln, die Kane als Wegzehrung eingepackt hatte. Er hatte eine Brezel beim Frühstück gekostet und sie zu der besten Backware dieser Erde erklärt. Houston wollte dafür sorgen, daß sie in Zukunft immer einen Vorrat davon im Haus hatte. »Ich glaube, ein Geologe hätte eine bessere Erklärung dafür. Hätte es dir Spaß gemacht, eine Schule zu besuchen, wo du gelernt hättest, wie sich Felsen bilden und ähnliches mehr?«
Ganz langsam drehte sich Kane wieder zu ihr um. »Wenn du etwas an mir auszusetzen hast, sage es frei heraus. Meine Schulbildung war immerhin so gut, daß sie mir zu ein paar Millionen Dollar verholfen hat. Wäre sie dann nicht auch gut genug für dich?«
Houston betrachtete die Brezel in ihrer Hand. »Ich habe dabei eher an die Leute gedacht, die nicht so viel Glück hatten wie du.«
»Ich spende genug Geld für wohltätige Zwecke. Da stehe ich hinter keinem zurück«, sagte er und reckte das Kinn vor.
»Ich hatte mir nur gedacht, es wäre jetzt der richtige Moment, dir vorzuschlagen, daß du deinen Vetter Ian in dein Haus aufnehmen solltest.«
»Meinen Vetter Ian? Diesen finster blickenden Burschen, dem du bei dieser Keilerei im Garten zu Hilfe gekommen bist? Meinst du den?«
»Man könnte ihn so beschreiben, obwohl ich eher der Meinung bin, daß er . . . tatkräftig aussieht. So wie du.«
Kane ignorierte ihre letzte Bemerkung. »Warum, in aller Welt, willst' du dir so ein Problem aufladen?«
»Er ist sehr intelligent, mußte aber die Schule aufgeben, um seine Familie unterstützen zu können. Er ist noch ein Junge, schuftet aber schon jahrelang im Bergwerk. Ich hoffe, du nimmst mir nicht übel, daß ich mich mit ihm unterhalten habe, ohne dich erst um Erlaubnis zu fragen. Unser Haus ist ja wahrhaftig groß genug, und zudem ist er dein Vetter ersten Grades.«
Kane stand auf und schnallte sich den Tornister wieder um. Er rief über die Schulter, als sie ihren Weg fortsetzten — gottlob auf etwas flacherem Terrain -: »Von mir aus kann er bei uns wohnen; aber sorge dafür, daß er mir nicht vor die Augen kommt. Ich mag Kinder nicht besonders.«
Houston hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten: »Nicht mal deinen eigenen Sohn?«
»Ich kenne ihn ja gar nicht; wie soll ich ihn da gern haben?«
Sie hatte Mühe, über einen umgestürzten Baum hinwegzusteigen. Kanes Hose war ihr viel zu groß, und obwohl sie die Hosenbeine hochgewickelt hatte, blieben sie alle Augenblicke irgendwo hängen. »Ich dachte, du wärst neugierig, ob er dir wirklich ähnlich sieht.«
Seine Stimme kam hinter einer Gruppe von Espen hervor, deren weiße Rinde in der Sonne glänzte: »Im Augenblick bin ich nur neugierig, ob mir die alte Hettie Green tatsächlich ein paar von ihren Eisenbahnaktien verkaufen will.«
Keuchend versuchte Houston, ihren Mann einzuholen; blieb jedoch mit dem Hemdärmel an einem Zweig hängen. Während sie vorsichtig den Stoff vom Holz löste, damit er nicht zerriß, rief sie zurück: »Was ich dich noch fragen wollte — hast du diese Mietskaserne von Mr. Vanderbilt bekommen, auf die du so scharf gewesen bist?«
Kane kam zurück, um ein paar ihrer Lockensträhnen aus einem dornenbewehrten Gestrüpp zu befreien. »Oh, das. Sicher. Obwohl das nicht einfach war, so weit weg vom Schuß. Für das Geld, das ich für Telegramme ausgegeben habe, hätte ich die ganze Firma kaufen können.«
»Was — dir gehört die Western Union noch nicht?« fragte sie und sah ihn dabei groß an.
Kane schien nicht zu merken, daß sie ihn nur necken wollte. »Nur teilweise«, sagte er ernsthaft. »Eines Tages werden sie alle Telefonleitungen des Landes miteinander verdrahten. Dann wird es Zeit, richtig einzusteigen. Vorläufig sind diese Dinger nutzlos. Ich bekomme ja nur die Leute an die Strippe, die in Chandler wohnen. Und wer will schon mit den Leuten in Chandler telefonieren?«
Sie sah ihm in die Augen und sagte leise: »Du könntest deinen Sohn anrufen und ihm guten Tag sagen.«
Mit einem tiefen Seufzer wandte Kane sich wieder von ihr ab und marschierte weiter. »Edan hatte recht«, murmelte er. »Ich hätte ein Bauernmädchen heiraten sollen — eine, die sich nicht in meine Angelegenheiten mischt.«
Während Houston ihm nachrannte, über Bäume und Steine stolperte und einmal sogar auf einem mächtigen Pilz ausglitt, fragte
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