HERZ HINTER DORNEN
einfach annehmen, was das Schicksal uns schenkt? Dies ist kein Kampf und es gibt keinen Sieger. Du wolltest diese Nacht.«
Er erwiderte das Stirnrunzeln, denn es gefiel ihm ganz und gar nicht, durchschaut zu werden. Sicher war es nur ein Zufall, dass ihre Gedanken auf ähnlichen Pfaden wandelten. Dennoch erzeugte es eine jähe Unsicherheit in ihm, eine Schwäche, die nichts mit der körperlichen Erschöpfung zu tun hatte, von der er sich gerade ein wenig erholte. In einem Anfall von Selbstkritik nahm er seine eigenen Motive näher in Augenschein.
Was hatte ihn wirklich in dieses gefährliche Abenteuer getrieben? Verletzte Eitelkeit? Männlicher Stolz? Der dumme Wunsch, Hawkstone und seinen Töchtern zu beweisen, dass es falsch gewesen war, ihn davon zu schicken? Welch ein Dummkopf er doch war. Ein Narr, der nicht einmal Dankbarkeit dafür aufbrachte, dass Sophia-Rose de Cambremer es ihm erspart hatte, eine Ehe wie so viele andere Edelleute zu führen.
Erst jetzt konnte er in jäher Aufrichtigkeit erkennen, wie sehr er sich in seinen Gefühlen für sie getäuscht hatte. Da war liebevolle Zuneigung gewesen, ehrliche Freundschaft, wahrhafte Bewunderung ihrer Anmut, Haltung und Erziehung. Aber auch das selbstverliebte Bewusstsein, dass sie prächtig an seiner Seite aussähe und seine Feinde ebenso blenden würde wie seine Freunde.
Lauter Dinge, die ihm niemals in den Sinn kämen, wenn er die Waldfee mit den violetten Augen betrachtete, die ihn ihrerseits mit einer Intensität beobachtete, die ihn erschreckte.
In Roselynnes Blicke zu tauchen bedeutete, den Rest der Welt auszuschließen und die Gesetze der Gesellschaft zu vergessen. Im Glanz ihrer Augensterne zu ertrinken. Hunger und Durst zu entsagen, Freunden und Feinden. Es machte Pläne, Zukunft und Ehre unwichtig. Da war eine Magie zwischen ihnen, die jegliche Gefühle, die er jemals für andere Menschen empfunden hatte, klein und unwichtig erscheinen ließ. Wenn er es zuließe, würde sie sein Lieben in ihre zierlichen Hände nehmen.
Jetzt hob sie den Kopf, dessen Haare endlich vom Gewicht seines Oberkörpers befreit waren, und ließ die Hand sinken. Er konnte nicht wissen, dass sie den Pfaden seiner Gedanken mühelos folgte. Dabei ahnte sie noch eher als er selbst, dass ihrer Liebe nur diese eine Nacht gegönnt sein würde. Eine Nacht für ein ganzes Leben - und sie wollte keinen Herzschlag davon vergeuden.
Ehe er eine Bewegung machten konnte, ersetzten ihre Lippen die Hand auf seinem Herzen. Er spürte das seidige Streicheln über dem Schlag seines Lebens, der sich mit einem Male beschleunigte, als befände er sich auf der Flucht. Aber es gab kein Entkommen vor dieser Druidin, die ihn mit unsichtbaren Seidenfäden band und in ihren Besitz brachte.
»Wie glatt und heiß deine Haut ist«, murmelte sie und glitt mit der Wange von einer Seite zur nächsten. »Du bist so anders als die Kämpfer, die ihre Narben wie Auszeichnungen tragen. Ich mag deine makellose Haut, den Duft nach Mann und Kraft, den du verströmst. Wusstest du, dass ich als Kind immer davon geträumt habe, eines Tages einen Mann zu lieben, der wie die römischen Marmorfiguren aussieht, die in unserem Garten zu Hawkstone stehen? Es hat mir immer gefallen, wie glatt und vollkommen sie sind. Göttlich fast, nicht menschlich.«
Ihre Zungenspitze malte verspielte Muster um seine flachen Brustwarzen, die sich augenblicklich alarmiert aufrichteten, was ihr ein entzücktes, mädchenhaftes Kichern entlockte. Das Murmeln ihrer Stimme glich dem Plätschern eines Baches, der auch die Reste seiner Selbstbeherrschung davon spülte.
»Teufelchen, lass das ...«
»Oh ... es gefällt dir nicht?« Die Enttäuschung stand so deutlich auf den feinen Zügen geschrieben, dass er zwischen Lachen und Entsetzen schwankte.
»Es ist wundervoll. Aber wenn du so weitermachst, werde ich wie ein Barbar ein zweites Mal über dich herfallen und meine Beherrschung verlieren. Ich möchte dir keine Schmerzen zufügen.«
Roselynnes Brauen hoben sich in ungläubigem Erstaunen. »Es geht ein zweites Mal?«
Wenn es noch eines weiteren Beweises für ihre unschuldige Ahnungslosigkeit gebraucht hätte, hier war er. Justin d'Amonceux stöhnte auf. »Die Möglichkeit besteht, und wenn jemand so lange keine Frau mehr geliebt hat wie ich, dann ist es nicht einmal ein besonderes Problem. Männer sind unersättlich, hast du das noch nicht herausgefunden?«
»Oh ...« Ein weiteres Lächeln kräuselte den frivol gewölbten Mund, und ihr
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