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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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für einen heimlichen Beobachter ausgesehen haben musste. Schließlich hatte sie sich alle Mühe gegeben, gehorsame Sanftmut zu demonstrieren und dem Schotten zu zeigen, dass er sich berechtigte Hoffnungen auf ihr Entgegenkommen machen konnte.
    Sie rang noch immer ihre klammen Hände, als ihr seine Schritte verrieten, dass er sie allein ließ. Die Laterne stand neben ihr, aber nicht einmal ein Dutzend Laternen hätte gegen die Finsternis anleuchten können, die sich mit einem Mal über Roselynne legte. Sie hatte geglaubt, das tiefste Elend menschlicher Verzweiflung erreicht zu haben, aber nun merkte sie, dass es noch schlimmeren Kummer gab.
    »Ihr müsst essen, Lady. Wenn wir nach Winchester aufbrechen können, müssen wir in höchster Eile reiten. Ihr werdet Eure Kraft brauchen.«
    Roselynne maß den jungen Normannen mit einem mutlosen Blick und griff nach dem gefüllten Weizenfladen, den er ihr hinhielt. Die köstliche Füllung aus Wildtaubenfleisch und Kräutern hätte eher an die Tafel des Königs gepasst als an das bescheidene Feuer in den Klostergewölben, aber sie musste sich regelrecht zwingen, zu kauen und zu schlucken. Jacques Boscot hatte bisher sehr wenig gesprochen, allein, sie hatte die ruhige tüchtige Art schätzen gelernt, mit der er für ihre Mahlzeiten sorgte, die Zweige und Blätter für ihren Schlafplatz herbeizauberte und das niedrige, wärmende Feuer nie ausgehen ließ.
    In seiner Gegenwart vermochte sie wenigstens zu atmen. Was man von Justin d'Amonceux nicht behaupten konnte, der gleich einem dunklen, drohenden Phantom stets am Rande ihres Gesichtskreises blieb. Sie wusste nicht, ob er sie beobachtete oder verfluchte, sie spürte nur, dass er da war und sie ansah. Je länger sie diese stummen Blicke fühlte, umso mehr wuchs ihr Zorn.
    Wie kam er dazu, sie dermaßen verächtlich zu behandeln? Sie hatte die einzigen Waffen zu Hilfe genommen, die ihr zur Verfügung standen, und sie sah nicht ein, dass sie sich dafür schämen sollte. Er hatte kein Recht auf sie, zumindest kein offizielles, und mehr als diesen einen unschuldigen Kuss konnte ihr niemand vorwerfen. Wie kam er also dazu, sie für eine Kreuzung aus Judith und Potiphar zu halten? Sie war weder eine Mörderin noch eine Dirne! Aber er benahm sich, als wäre sie weit Schlimmeres.
    Gekränkt starrte sie mit verengten Augen in die Dunkelheit. Irgendwo dort hinten stand er. Reglos, stumm und unmenschlich. Nicht länger der Geliebte, nach dem sie sich sehnte, sondern ein Richter, der sich anmaßte, ein Urteil über sie zu fällen. Unwillkürlich warf sie den Kopf in den Nacken und presste die Lippen aufeinander. Sie wollte nichts mehr von ihm.
    Justin d'Amonceux sah den unnachahmlichen Stolz, mit dem sie den feinen Nacken straffte und ihre Haltung korrigierte. Sie trug die verschmutzten Kleider einer Bäuerin, ihr Haar sah aus, als hätten Stare darin genistet, und unter ihren wunderbaren Augen lagen die Schatten von Erschöpfung und Schlaflosigkeit. Dennoch brachte ihn der bloße Anblick zum Erbeben.
    Seine Fingerkuppen erinnerten sich an die Beschaffenheit ihrer durchsichtigen Haut, seine Lippen an die Süße ihrer Küsse und sein ganzes Sein an die Erfüllung von Sehnsucht und Leidenschaft. Wie konnte sich unter dieser unschuldig hinreißenden Fassade so viel Lüge und Falschheit verbergen?
    Er sah ihr beim Essen zu, das sie anmutig in kleinen Bissen zu sich nahm, obwohl sie den Anschein erweckte, als hätte sie längere Zeit Hunger gelitten. Hatte ihr der Schotte nichts zu essen gegeben, um ihren Willen zu brechen? Narrheit! Diese Frau war weder mit Hunger noch mit Gewalt zu besiegen.
    Seine Augen glitten zu Jacques, der die stumme Aufforderung spürte und sich entfernte, sobald er sicher gestellt hatte, dass das Feuer einige Zeit brennen würde, ohne dass er sich groß darum kümmern musste. Sein Milchbruder würde Wache halten und rechtzeitig Alarm geben, falls die Schotten in ihre Nähe kamen. Es lag auf der Hand, dass Robert Duncan sowohl das Mädchen wie auch den Ring nicht einfach verlustig geben würde. Er selbst hatte es schließlich auch nicht getan.
    Roselynne fühlte, wie die Luft von seinen stummen Vorwürfen vibrierte, und sie fragte sich, ob sie sich nur wappnen oder auch verteidigen sollte. Allein, was hoffte sie mit Letzterem zu erreichen? Er war so überzeugt davon, dass sie ihn kühlen Blutes und voller Absicht betrogen hatte, dass es mit Sicherheit kein Argument gab, das ihn vom Gegenteil überzeugte. Ganz davon

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