HERZ HINTER DORNEN
bisschen Glanz in ihre traurigen Augen zaubern wollte. Frauen liebten Schmuck, und was war schon verloren, wenn sie diesen hier eine Weile an ihrer Hand hatte. Es würde ihr gefallen.
»Komm schon, Herzchen!«
Ehe Roselynne begriff, was er tat, hatte er sie an seine mächtige Brust gezogen und ihre Hand ergriffen. Er schob den Rubin auf ihren kräftigsten - den mittleren -Finger und schloss die Hand darum, damit sie ihn nicht verlor. »Ich kann ihn dir nicht schenken, denn er gehört mir nicht, aber seinen Glanz kann ich dir leihen. Nimm ihn als Versprechen auf künftigen Schmuck, den ich dir schenken werde. Ich bin kein armer Mann.«
Das Gewicht des Rings zog Roselynnes Hand nach unten, und es kam ihr vor, als trüge sie gleichzeitig mit dem Juwel auch die düstere Verantwortung, die dieser Reif symbolisierte. Ein wenig zaghaft lächelte sie in das kantige Gesicht des Schotten.
»Ein Lächeln?«, grunzte er zufrieden und wagte sich ermutigt noch weiter vor. »Nun, das ist hübsch und gut, aber wie wäre es mit einem Kuss, Mädchen? Ein solches Prachtstück ist doch wohl einen Kuss wert!«
Roselynne sah, dass sich alle Schotten zu ihnen umgewandt hatten und grinsend darauf warteten, wie sie sich aus dieser Falle befreite. Sie hatte es in der Hand, die Männlichkeit ihres Anführers zu stärken oder lächerlich zu machen. Für einen eigenartigen Augenblick schien die Zeit still zu stehen. Wenn sie tat, was erforderlich war, würde sie damit auch ihrer Vergangenheit für immer entsagen. Aber hatte sie denn eine Wahl? Nicht in Anbetracht des Lebens, das in ihr wuchs und das behütet werden musste.
Sie hob die Hände, legte sie über die bärtigen Wangen und zog das mächtige Haupt des Schotten sanft ein wenig nach unten, damit sie ihn überhaupt erreichte. Dann schloss sie tapfer die Augen und legte ihre weichen Lippen auf den Schimmer von Haut und Zähen, der ihr aus dem Bart entgegen blitzte.
Von fern hörte sie das Gejohle und den Beifall der Schotten, die ihren Anführer anfeuerten. Sie fühlte, wie er sie in die Arme schloss und in einer bärenhaften Umarmung barg, die gleichwohl von unerwarteter Zartheit war. Bisher hatte er sich noch nie die Mühe gemacht, ihr nicht wehzutun. Es rührte und beruhigte sie zugleich, und sie beendete den Kuss mit einem winzigen Seufzer.
Der Mann, der draußen im Dunkel die Szene beobachtete, die vom rötlichen Schein des Feuers überhaucht wie ein Bild wirkte, erstarrte zu Eis. Es konnte nichts Sanfteres und Zärtlicheres geben als die Geste, mit der Roselynne nun ihre Stirn an die Schulter des Schotten legte und sich in seinen Armen barg. Sie vertraute ihm, sie gab sich ihm hin und beschenkte ihn mit ihren Küssen.
Ganz zu schweigen von dem geradezu närrischen Ausdruck der Verehrung, der auf den wilden Zügen des Kriegers lag und der ihm ebenso lächerlich wie unglaublich erschien. War es denn die Möglichkeit, dass sie ihn in wenigen Tagen zu ihrem Schoßhund dressiert hatte?
Der Gedanke verstärkte das rote Glühen der Wut, die in seinem Innern aufbrach. Das Feuer überschwemmte sein Gesichtsfeld und brannte alles aus, was in seiner Seele an zaghaftem Vertrauen und argwöhnischer Zuversicht eben zarteste Wurzeln schlug.
Zurück blieb eine kalte, tote Einöde von Erkenntnis und Verbitterung. Einmal ein Narr, immer ein Narr!
15. Kapitel
Ein Sonnenstrahl brach sich in den Facetten des geschliffenen Rubins und streute rötliche Funken auf das trockene, braune Gras zu Roselynnes Füßen. Sie hatte ein Stück gehen müssen, ehe sie eine Buschgruppe fand, die weit genug von dem verfallenen Haus entfernt war, damit sie ihren morgendlichen Bedürfnissen ungestört nachkommen konnte.
Seit sie ihren Frieden mit Robert Duncan geschlossen hatte, gönnte er ihr diese Momente des privaten Rückzugs, ohne sie wie zuvor auf Schritt und Tritt zu belauern. Wo sollte sie auch hin, meilenweit entfernt von ihrem Zuhause in einem Landstrich, der ihr völlig fremd war und in dem es ihr schwer fiel zu glauben, dass über ihr dieselben Sterne schienen wie über Hawkstone?
Sie hatte sich an der mit Steinen gefassten kleinen Quelle Gesicht und Hände gewaschen und das reine Wasser in durstigen Zügen getrunken. Es war das Einzige, was sie morgens bei sich behalten konnte, und sie musste ihre ganze Kraft aufbieten, um die peinigenden Wellen der Übelkeit vor dem Grafen zu verbergen, die ihr Aufwachen jetzt regelmäßig begleiteten. Sie hatte Angst, dass auch er diese Zeichen deuten
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