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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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konnte.
    Sosehr sie auch die ehelichen Rechte fürchtete, die er früher oder später einfordern würde, so sehnte sie das unvermeidliche Ereignis aus reinen Vernunftgründen inzwischen fast herbei. Dann konnte sie wenigstens aufhören, Komödie zu spielen, und sich ganz der Aufgabe widmen, die ihr bevorstand. Bis dahin durfte sie dem Grafen jedoch keinen noch so kleinen Hinweis geben, dass ihm ein anderer zuvorgekommen war.
    Sie wedelte weiter mit den Händen, um sie zu trocknen, und ballte die Rechte zur Faust, damit sie bei dieser Gelegenheit den kostbaren Ring nicht verlor. Das Einfachste wäre gewesen, ihn irgendwo zu verstecken, aber sie fürchtete den Jähzorn des Schotten. Sie hatte keine Angst um die eigene Person, aber sie war für ihr Kind verantwortlich, und das würde schwerlich gesund das Licht der Welt erblicken, wenn er sie in seinem Grimm zu Tode prügelte oder mit dem Schwert erschlug, weil sie ihm getrotzt hatte.
    Sie beging nicht den Fehler, die Gutmütigkeit, die Robert Duncan ihr gegenüber an den Tag legte, für Schwäche zu halten. Er war freundlich, weil ihm daran lag, dass sie sich wohl fühlte, aber er würde dennoch ohne zu zögern sein Schwert erheben und sie töten, wenn er zwischen ihr und seiner Ehre wählen musste.
    Ein leises Rascheln in ihrem Rücken ließ sie auf dem Absatz herumfahren, aber im selben Augenblick senkte sich eine erstickende schwarze Masse über sie und raubte ihr Luft und Sicht. Ehe sie begriff, was geschah, wurde sie roh um die Taille gepackt und aufgehoben. Sie versuchte zu schreien, aber da war keine Luft für ihre Lungen. Nur grober Stoff, Pferdegestank und das entsetzliche Gefühl zu ersticken. In kopfloser Panik verschwendete sie auch das letzte Restchen Atem, sich zu wehren, dann schwanden ihr die Sinne.
    »Gütiger Himmel, ist sie tot? Was hast du mit ihr getan?«
    »Nichts. Du siehst doch, dass sie atmet. Ohnmächtig ist sie. Das ist gut so, dann muss ich nicht mit dieser wohlfeilen Dirne reden.«
    »Warum setzt du dein Leben für sie aufs Spiel, wenn du nicht einmal mit ihr reden willst?«
    »Weil ich dem König mein Wort gegeben habe. Du kannst dir gewiss sein, dass ich sie ohne dieses Wort in den Pranken des Schotten gelassen hätte. Sie hätte es wahrhaftig verdient.«
    Die Unterhaltung wurde auf Französisch geführt, aber da Roselynne das Normannische ebenso gut sprach wie das Sächsische, bereitete es ihr keine Mühe, den Sinn der Worte zu erfassen. Die fragende Stimme klang jung und fast ein wenig spöttisch, die andere melodisch vertraut, obwohl die Worte, die sie sprach, so falsch waren, dass Roselynne am Ende doch die Lider hob.
    Im ersten Augenblick sah sie nichts. Von grauer Düsternis umgeben, dumpf feuchten Modergeruch in der Nase und von einer Kälte umfangen, die nicht von dieser Welt zu sein schien, zweifelte sie an ihrem Verstand. War sie etwa gestorben und befand sich jetzt in jenem beunruhigenden Zwischenreich, in dem Gott die Seelen prüfte, ehe er sie vollends verwarf?
    »Die Schotten werden sie suchen.«
    »Davon gehe ich aus. Sie und den Ring. Er kann es sich nicht leisten, den Ring zu verlieren.«
    »Was mag Duncan sich dabei gedacht haben, dass er ihn ihr zu Verwahrung gab?«
    »Meiner Seel', was denkt ein Mann, der sich seiner selbst zu sicher fühlt und von ein paar Veilchenaugen betört wird? Nichts vermutlich! Er wollte sich bei ihr wichtig machen, ihre Dankbarkeit erkaufen. Jede Frau hat ihren Preis, hast du das noch nicht begriffen?«
    Wenn sie die Augen verengte und in die Richtung sah, aus der die Stimmen kamen, dann konnte sie verschwommene Formen ausmachen. Die wuchtigen Konturen tiefer Mauerbögen und den Schimmer einer abgeblendeten Laterne, die nur ein paar steinerne Bodenplatten ausleuchtete. Wo war sie? Es sah nach einem Keller aus. Einem Gewölbe, wie es in Hawkstone unter der römischen Villa lag. Wie kam sie hierher?
    Das leise Ächzen, das sich aus ihrer Kehle löste, rief die beiden Männer augenblicklich auf den Plan. Justin d'Amonceux hob die Laterne und Roselynne blinzelte, geblendet von dem Lichtstrahl. Sie sah nichts, sie hörte nur diese Stimme, die vertraut und fremd zugleich war. Schroff, kalt und unfreundlich.
    »So seid Ihr also wieder bei Sinnen, Lady Roselynne«, sagte die Stimme. »Willkommen auf der anderen Seite des Spiels. Ihr habt einmal mehr die Fronten gewechselt. Es wird Euch zur Gewohnheit, nicht wahr?«
    Roselynne sagte sich, dass sie erfreut sein sollte, erleichtert, aber etwas hielt sie

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