Herz im Spiel
„Ich möchte nicht fort von hier.“
Desmond nahm ihre Hand. Seine Finger waren lang und kräftig, aber er hielt ihre zartgliedrige Hand ganz sanft. „Und das, obwohl Sie hier nicht immer eine glückliche Zeit hatten?“
„Ich bin hier glücklich gewesen“, erwiderte sie, senkte dabei jedoch den Blick, sodass er an ihren Augen nicht erkennen konnte, ob sie die Wahrheit sprach.
Desmond seufzte. „Ach, meine liebe kleine Marianne, ich habe Ihnen allerhand zugemutet, seit wir uns begegnet sind, nicht wahr? Schauen Sie nur, was ich in Ihrem Leben angerichtet habe, und die ganze Zeit hindurch sind Sie lieb und fröhlich geblieben – und so jung und schön wie damals, als ich Sie zum ersten Mal gesehen habe.“
„So jung nun auch wieder nicht“, verbesserte Marianne ihn. „Und was wollen Sie angerichtet haben? Sie haben mich vor Onkel Horace gerettet, sie haben sich um mich gekümmert und für meine Erziehung gesorgt. Sie sind sehr freundlich gewesen.“
„Aber anscheinend niemals freundlich genug“, widersprach er.
„Erwarten Sie, dass ich vergesse, was ich über Sie weiß?“, flüsterte Marianne. Sie sprach von dem Geheimnis auf Kingsbrook, das er vor ihr verbarg, doch er hörte einen Vorwurf gegen sein Betragen an jenem ersten Abend, als sie hergekommen war.
Desmond ließ ihre Hand los und trat einen Schritt zurück.
„Das ist natürlich unmöglich“, sagte er kühl. „Es war dumm von mir, zu fragen. Aber wenn die Dinge so stehen, sollten Sie begreifen, dass es meine Pflicht ist, nach bestem Wissen für Ihre Zukunft zu sorgen. Sie müssen sich gut verheiraten …“
Bei diesen Worten warf Marianne den Kopf zurück und blickte ihn rebellisch an, doch er fuhrfort, ehe sie sich zu einem weiteren Wutausbruch hinreißen ließ. „Um Ihret-, nicht um meinetwillen, das versichere ich Ihnen. Mir erschien es vernünftig zu sein, den Anfang bei den jungen Männern an der Universität zu machen, aber ich möchte Ihnen keine Entscheidung aufzwingen.“ Er rang sich ein Lächeln ab, was kaum dazu beitrug, die gedrückte Stimmung im Zimmer zu heben. „Wir reden später weiter“, beschloss er.
Desmond war einen Schritt zurückgewichen, aber sie standen immer noch nahe beieinander, und nun streckte Marianne die Hand aus und schob ihm eine seiner dichten Haarsträhnen aus dem Gesicht.
„Ich wünschte …“, flüsterte sie.
„Die Zeit für Wünsche ist vorüber“, unterbrach er sie. Als sie die Finger von seiner Stirn nahm, hielt er sie fest. Er zog ihre Hand an die Lippen und küsste sie sanft, aber mit einer Endgültigkeit, die ihr fast das Herz brach.
Wenn Marianne Trenton und Peter Desmond nicht sehr gut aufpassten, waren sie in Gefahr, sich so gut voneinander abzuschotten, dass sie niemals glücklich würden.
15. KAPITEL
Marianne fühlte sich traurig, einsam und wurde von Argwohn gequält, und Mr Desmonds seltsames Verhalten während der Feiertage, die sie vielleicht zum letzten Mal auf Kingsbrook erlebte, machte alles noch schlimmer.
Die Dudleys und die Romers schickten Einladungen zu Weihnachten, aber Desmond lehnte beide ab und beharrte darauf, dass sie die Tage allein auf Kingsbrook verbrachten. Dann allerdings hielt er sich nur in der Bibliothek auf, und Marianne blieb allein oder setzte sich unwillig zu Mrs River in den Salon.
In früheren Jahren hatte Mr Desmond, wie er sagte, zu Silvester Gäste eingeladen, einer der wenigen festlichen Bräuche, an denen er festhielt. Doch dieses Jahr bemerkte Marianne, dass im Haus keine besonderen Vorbereitungen getroffen wurden.
„Wie sind denn die Pläne für Silvester dieses Jahr?“, fragte sie schließlich Mrs River.
„Es gibt keine Pläne, Miss Marianne“, gab die Wirtschafterin zurück.
Marianne blickte überrascht drein. „Überhaupt nicht? Aber Mr Desmond hat doch immer …“
„Dieses Jahr nicht“, erklärte Mrs River kopfschüttelnd. Dass ihr Herr Miss Trenton aus dem Weg ging, war auch der Haushälterin nicht verborgen geblieben. „ Dieses Jahr ist unser Mr Desmond, soviel ich weiß, zu einer Gesellschaft in Reading eingeladen.“
Und Desmond ging, ohne sich besonders zu verabschieden. Marianne blieb allein zurück. Geplagt von ihren sorgenvollen Gedanken, musste sie den Übergang in das neue Jahr allein erleben.
Der einunddreißigste Dezember war ein klarer, eisiger Tag. Das Flüsschen, das Kingsbrook den Namen gab, war zugefroren. Es war zu kalt, um nach draußen zu gehen. Und es war „zu schwierig, das ganze Haus zu
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