Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herz im Spiel

Herz im Spiel

Titel: Herz im Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Cheney
Vom Netzwerk:
hinauszugehen.
    „Marianne“, begann er in dem ruhigen, vernünftigen Tonfall, den er während der letzten halben Stunde seit ihrem Eintreffen auf Kingsbrook geübt hatte. „Wir müssen unsere Meinungsverschiedenheit bezüglich der Universität beilegen.“
    „Ich bin fest entschlossen“, erwiderte sie mit einer Unerbittlichkeit, die ihn in Rage brachte.
    „Ich denke …“
    „Ich bin mir völlig bewusst, was Sie denken. Das haben Sie mir überdeutlich klargemacht. Aber ich hege nicht die Absicht, an die Universität zurückzukehren. Wie ich schon sagte, weiß ich zu schätzen, dass Sie mir die einzigartige Gelegenheit verschafft haben, ein paar Monate zu studieren. Aber ich glaube, dass ich jetzt meinen Interessen und Studien hier, in der Bibliothek von Kingsbrook, nachgehen kann.“
    „Ich zweifle durchaus nicht an Ihren Fähigkeiten und Ihrer Eigeninitiative. Aber wir haben noch andere Dinge zu bedenken, dringendere, persönliche . Das haben wir doch bereits diskutiert“, erwiderte Desmond.
    „Nein, oh nein!“, fauchte Marianne. „ Sie haben entschieden. Ich sollte mich fügen. Eine Gespräch hat es nicht gegeben. Nie haben wir über diese Angelegenheit diskutiert. Ich habe mich schließlich damit abgefunden. Man sollte meinen, dass Sie sehr zufrieden mit meinem Vorschlag wären. Dann bekämen Sie Ihren Willen und hätten mich völlig unter Kontrolle, so wie es Ihnen immer am liebsten gewesen ist.“
    „Sie sind unvernünftig, Marianne“, sagte er sanft in dem Versuch, sie zu beruhigen und seine eigene Selbstbeherrschung zu wahren.
    „Im Gegenteil, ich bin außerordentlich vernünftig. Ich möchte nicht zurück an Ihre Universität,wo ich ausgestellt und vorgeführt werde wie ein Stück Vieh, das zum Verkauf steht.“
    „Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen. Die jungen Männer an der Hochschule sind zum größten Teil Gentlemen aus gutem Hause. Und ich habe Ihnen erklärt, dass ich keine andere Möglichkeit habe, Sie in die Gesellschaft einzuführen. Ich dachte, das hätten Sie verstanden.“
    „Sie haben nicht vor, mich in die Gesellschaft einzuführen. Ihr Ziel ist von Anfang an gewesen, mich zu verheiraten und endlich loszuwerden. Das habe ich verstanden. Mit der Tatsache habe ich mich abgefunden. Deshalb habe ich mich an der Universität eingeschrieben. Ich habe mir Ihre Heiratskandidaten angesehen, und ich bin an keinem davon interessiert.“
    „Ich kann Sie hier auf Kingsbrook nicht allein lassen“, sagte er in dem Bemühen, dem Gespräch eine neue Wendung zu geben, da er erkannte, dass Marianne, zumindest im Augenblick, in der anderen Sache unbeirrbar blieb. Damit hatte er jedoch ein noch heikleres Thema angeschnitten.
    „Ach ja? Wäre das unklug? Hier geschehen wohl Dinge, die ich nicht sehen, von denen ich nichts wissen soll?“, fragte sie argwöhnisch.
    Desmonds Miene verriet Verblüffung und Verwirrung. „Ganz und gar nicht“, erklärte er. „Das heißt, für gewöhnlich nicht.“
    „Aha!“, rief Marianne außer sich. „Also geht auf Kingsbrook doch etwas vor!“
    „Wovon reden Sie? Ich glaube, Sie sind erschöpft von der Heimfahrt.“ Desmond überlegte angestrengt, was es wohl mit dem hysterischen Gebaren des Mädchens auf sich haben könnte.
    Marianne wandte sich von ihm ab. „Wahrscheinlich haben Sie recht“, sagte sie. „Ich bin müde und hungrig.“
    „Natürlich“, pflichtete Desmond ihr erleichtert bei. „Wir werden später über Ihre Rückkehr an die Universität reden.“
    Marianne sah zu ihm auf. Jetzt jedoch blitzte sie ihn nicht mehr zornig an, sondern ihre Augen hatten einen flehentlichen Ausdruck. „Verstehen Sie denn nicht?“, fragte sie. Sie standen in der Mitte des Zimmers. Die Suppe am Fußende von Mariannes Bett war kalt geworden. „Ich möchte hier sein. Wie kann ich Ihnen das nur begreiflich machen?“, sagte sie verzweifelt.
    „Ich verstehe Sie doch, Marianne. Sie lieben Kingsbrook. Es ist, als wäre man nur hier ganz lebendig. Andere Dinge, andere Verpflichtungen mögen einen in die Fremde führen, aber da ist immer dieser unsichtbare Faden, der einen mit diesem Ort verbindet und einem Ausgeglichenheit und innere Stärke schenkt.“
    Bei diesen Worten leuchteten seine Augen, und Marianne war erstaunt, dass er ihre Empfindungen in so treffende Worte gefasst hatte. „Ja, ja, so ist es“, flüsterte sie.
    „Und ist es nur Kingsbrook?“, fragte er leise.
    „Das Anwesen ist mir zur zweiten Heimat geworden“, antwortete sie ausweichend.

Weitere Kostenlose Bücher