Herz im Spiel
Stuhl neben der Tür, auf den Marianne ihn ursprünglich hatte setzen wollen. „Und falls das nicht möglich wäre“, fügte er matt seufzend hinzu, „hatte ich gehofft, selbst eine Barriere aus Eis um mich aufzurichten, um dich zu vergessen, um zu verdrängen, was du mit mir gemacht hast, wie du zu einem Teil meines Lebens geworden bist.“
Marianne atmete jetzt ruhiger und hielt den zerrissenen Stoff, so gut sie konnte, zusammen. „Lassen Sie mich gehen, Mr Desmond“, bat sie und versuchte, vernünftig zu klingen, die Panik zu verbergen, die in ihrer Stimme mitschwang.
„‚Lassen Sie mich gehen, Mr Desmond‘“, spottete er. „Das ist immer das Einzige gewesen, das du von mir gewollt hast. Marianne, ich habe dir mein Herz geschenkt. Es bringt mich um, wenn du mich wegen eines anderen Mannes verlässt, ohne dass ich dich je besessen habe. Es wird sowieso etwas in mir sterben, wenn du mich verlässt. Also schenk mir wenigstens dies. Eine Nacht ist alles, worum ich bitte. Komm freiwillig zu mir ins Bett, ohne diese furchtbaren Tränen, die mich sei Jahren verfolgt haben. Ist das denn zu viel verlangt?“
Seine Brust hob und senkte sich schmerzhaft. Er legte den Kopf gegen die Wand hinter sich und schloss die Augen. „Ich habe dir meine Seele geschenkt. Willst du mir dafür gar nichts zurückgeben?“, flüsterte er.
„Ich werde mit dir darum pokern“, meinte sie.
Desmond riss die Augen auf und hob den Kopf, damit er ihr ins Gesicht sehen konnte. „ Was hast du gesagt?“
„Ich sagte, ich will mit dir Karten spielen. Wenn du gewinnst, gehöre ich dir. Ich werde freiwillig in dein Bett kommen und nichts auf der Haut tragen. Es wird keine Tränen mehr geben, nur noch ein einladendes Lächeln.“
„Und wenn du gewinnst?“, wollte er wissen.
„Bekomme ich Kingsbrook.“
Er schwieg verblüfft. „Du willst Kingsbrook?“, fragte er schließlich langsam und bedächtig.
„Oder du bekommst mich.“
Desmond kniff die Augen zusammen und schien sehr ernsthaft nachzudenken. „Du setzt deinen Wert sehr hoch an, Marianne. Dein Einsatz soll gleichwertig mit diesem großen Landgut sein?“
„Die Frage ist eher, wie viel ich dir wert bin, Peter“, bemerkte Marianne kühl.
„Das ist richtig. Und du bist mir sehr viel wert.“ Er schwieg noch einen Augenblick, ehe er nickte. „Ich denke, die Einsätze sind fair“, sagte er endlich. Seine Stimme hatte jetzt den glatten, ausdruckslosen Tonfall eines erfahrenen Spielers angenommen.
„Gut. Sollen wir anfangen?“, fragte Marianne.
„Jetzt?“ Desmond war erneut über ihren direkten Vorschlag verblüfft. Doch in seinem Blick, den er auf Mariannes zerrissenes Kleid gerichtet hatte, auf den seidigen Stoff, den sie mit einer Hand zusammenzuhalten versuchte, brannte ein begehrliches Feuer.
Auch Marianne blickte an sich herunter. „Wenn du nichts dagegen hast, werde ich mir dein Jackett ausleihen. Es sei denn, du ziehst eine andere Zeit vor und die Gelegenheit, zuerst nüchtern zu werden. Ich glaube, bei diesem Spiel möchten wir beide all unsere Sinne beisammenhaben.“
„Ich bin völlig bei Sinnen, und ich fürchte, wenn ich gänzlich nüchtern wäre, würde ich dieses Risiko nicht eingehen. Und ich glaube, ich habe lange genug auf meinen Spielgewinn gewartet.“
Desmond zog sein Jackett aus und reichte es Marianne.
„Genau wie ich“, erwiderte Marianne ebenso finster entschlossen wie Desmond.
Sie nahmen zu beiden Seiten des kleinen Kartentischs, den Desmond von der Wand abgerückt hatte, Platz. Daraufhin zog er ein Kartenspiel hervor.
„Das Siegel ist unversehrt“, sagte er und hielt Marianne die Schachtel hin, damit sie sich davon überzeugen konnte, dass die Karten neu waren. Es war erstaunlich, wie ruhig Desmond das Päckchen hielt.
Marianne nickte, und Mr Desmond zog die Karten aus der Schachtel. Schnell mischte er das Spiel zweimal durch – trotz seines angetrunkenen Zustandes mit geübtem Geschick. Ehe er ein drittes Mal mischen konnte, tippte Marianne ihm mit den Fingerspitzen auf den Handrücken.
„Offensichtlich verfügst du über größere Erfahrung als ich“, sagte sie. „Wahrscheinlich bist du sogar in der Lage, die Karten so zu manipulieren, dass du gewinnst. Du darfst nicht schwindeln, Peter. Bei dieser Partie steht zu viel auf dem Spiel, um sie durch Betrug zu entscheiden.“
„Ich würde nie falsch spielen, Marianne. Du hast mein Wort, dass dieses Spiel fair und ehrlich ablaufen wird.“
Alles, was Mr Desmond heute
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