Herz nach Maß (German Edition)
ihn in Verlegenheit bringen, sodass er seine untypische Redseligkeit bereute.
Ich mag dich, Will.
Will nahm einen weiteren Schluck Cognac und verbot sich, dieser simplen Aussage allzu viel Bedeutung beizumessen. Ungebeten sah er vor seinem geistigen Auge, wie er sich hinüberlehnte und Jack in seine Arme zog. Er schloss die Augen und senkte das Gesicht für ihren ersten, perfekten Kuss in Richtung Jacks…
Das Bild veränderte sich und anstatt dass Jack sich ihm in süßer Hingabe anbot, beschwor Wills fiebernde Fantasie einen Jack, der mit geballten Fäusten vor ihm stand, ausholte und ihm eine harte Rechte verpasste, die Will auf seinen Hintern beförderte.
Will schüttelte den Kopf, konnte die unangenehme Vorstellung aber nicht ganz abschütteln. Er beschloss, sich zurückzuziehen, solange er noch zurechnungsfähig war.
»Hey, es war ein wirklich schöner Abend. Ich weiß nicht, wie's bei dir aussieht, aber ich hatte ziemlich viel Alkohol und vermutlich denkt keiner von uns noch so klar, wie er gerne würde. Ich glaube, es ist das Beste, wenn wir für heute Feierabend machen. Willst du noch eine Tasse Kaffee, bevor du fährst? Wie weit hast du's überhaupt?«
Jack war sichtlich verblüfft. Abrupt stand er auf und hätte beinahe den Stuhl umgestoßen. »Ich wohne etwa zwanzig Minuten von hier. Bezüglich des Kaffees: nein, danke. Wenn ich noch einen trinke, bin ich die ganze Nacht wach.« Sein Tonfall war ruppig, sein Gesicht, das vor einer Sekunde noch so offen und ernst gewesen war, zeigte sich nun verschlossen.
Will fühlte sich, als hätte ihm jemand Bleigewichte umgehängt. Er konnte sich kaum bewegen, überwältigt von dem niederschmetternden Gefühl, alles ruiniert zu haben. Wenn er Jack nur besser einschätzen könnte. Wenn er nur die Eier in der Hose hätte, um geradeheraus zu sein, um sich zu nehmen, was er wollte, was Jack vielleicht ebenfalls wollte.
Steif schoss Jacks Hand nach vorne. Will ergriff sie und wünschte sich, dass alles, was er fühlte, irgendwie, auf magische Weise durch Berührung übermittelt werden könnte. Er hielt die Hand zu lange fest und Jack zog sie zurück.
In dem Versuch, seinen Tonfall so locker und neutral wie möglich zu halten, sagte Will: »Ich hatte viel Spaß, Jack. Danke – für alles.«
»Ja. Ich auch. Wir sehen uns.«
***
Obwohl es bereits weit nach Mitternacht war, saß Jack wach in seinem Arbeitszimmer. Holzspäne sammelten sich um ihn herum an, während er an dem geschwungenen Bein eines Schaukelstuhls arbeitete, den er gerade baute.
Die Arbeit mit dem Holz und seinen Werkzeugen entspannte ihn, so wie sie es immer tat. Es war mehr als ein Akt der Schöpfung – es war beinahe so etwas wie eine Meditation. Er hatte schon immer am besten denken können, während er mit einem Holzmeißel oder an der Drechselbank zugange gewesen war.
Er war langsam nach Hause gefahren und absichtlich zehn Meilen unter der Höchstgeschwindigkeit geblieben, sodass kein Polizist in Versuchung geführt worden war, ihn anzuhalten. Noch immer konnte er kaum glauben, dass er den Mut gehabt hatte, diese ausschweifende Rede darüber zu halten, wie sehr er Will mochte und wie sehr es ihm gefiel, Zeit mit ihm zu verbringen.
Noch während er sprach, hatte er gewusst, dass er die Klappe hätte halten sollen, aber er hatte sich nicht stoppen können. Was hatte er denn erwartet, das Will sagte? Oder tat? Worauf hatte er gehofft? Ganz ehrlich, er wusste es selbst nicht.
Wills unvermittelte Verabschiedung hatte er jedenfalls nicht erwartet. Zunächst hatte er sich hängen gelassen gefühlt, dann gedemütigt und verlegen angesichts dessen, was ihm wie eine Zurückweisung vorgekommen war oder zumindest wie ein Korb.
Welche seltsame Hitze er sich auch immer zwischen ihnen eingebildet hatte, sie war schlagartig abgekühlt. War etwa alles einseitig gewesen? Hatte er, nur weil er bestätigt bekommen hatte, dass Will schwul war, fälschlicherweise angenommen, dass Will Interesse an ihm hatte?
Jack lachte verbittert auf. Warum sollte ein gut aussehender, junger Mann wie Will an ihm interessiert sein? Offensichtlich war er betrunkener gewesen, als er gedacht hatte, und hatte alles falsch gedeutet, was Will ihm möglicherweise an Hinweisen gegeben hatte.
Er war froh, dass Will im Keim erstickt hatte, was auch immer da zwischen ihnen passiert war. Er hatte für sie beide die richtige Entscheidung getroffen. Was für Gefühle Jack auch hatte, er war noch nicht bereit, sich mit ihnen
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