Herz nach Maß (German Edition)
darin erkennen, allerdings hatte er noch nie irgendwelche Formen in den Sternen entdeckt. Jedes Mal kam er zu der Erkenntnis, dass ihm dafür die Vorstellungskraft fehlte. Trotzdem war es schön, etwas gefunden zu haben, das er mit Jack teilen konnte, etwas, das diesem offensichtlich Spaß machte.
»Ich bin froh, dass du hier bist, Jack. Ich bin froh, dass wir uns angefreundet haben.«
»Ich auch, Will. Es ist lange her, dass ich Zeit mit irgendjemandem verbracht habe, außer wenn ich arbeite. Ehrlich gesagt, bin ich so etwas wie ein Einsiedler geworden. Wenn meine kleine Schwester mich nicht dazu zwingen würde, sonntags zum Abendessen zu ihr zu kommen, würde ich wahrscheinlich niemals rauskommen. Allerdings sollte ich ehrlich zu dir sein. Ich habe wirklich keine Ahnung, was ich hier mache. Ich mag dich. Ich habe zuvor keine schwulen Männer gekannt, nicht wirklich.«
»Doch, hast du.«
»Entschuldige?«
»Du hast welche gekannt. Du hast einfach nur nicht gewusst, dass du sie kennst. Sie haben es dich nicht wissen lassen, weil sie nicht wollten, dass du über sie urteilst oder dass sie gefeuert werden oder was auch immer sie befürchtet haben, das du eventuell tun könntest, wenn du es herausfindest.« Will versuchte, die Bitterkeit aus seiner Stimme herauszuhalten.
»Natürlich leben wir in einer sehr viel aufgeklärteren Zeit als damals in den schlechten, alten Tagen, als ein Mann noch für seine sexuelle Orientierung bei lebendigem Leib verbrannt oder ins Gefängnis geworfen oder von entsetzten Heterosexuellen zu Tode geprügelt wurde. Wenigstens sind solche Sachen jetzt per Gesetz verboten, zumindest in diesem Land. Aber glaub ja nicht, dass sich Schwule oder Lesben jetzt frei für ihr Coming-out fühlen – frei, mit Stolz zuzugeben, dass sie so sind, wie sie sind.
Es erfordert immer noch Mut, der Welt zu sagen, dass sie dir den Buckel runterrutschen kann, wenn sie ein Problem damit hat. Nicht jeder ist verständnisvoll. Manche Leute unterliegen immer noch der falschen Annahme, dass das etwas ist, das wir uns ausgesucht haben – wie einen Karrierezweig oder ein neues Auto. Hast du dir ausgesucht, hetero zu sein? Hast du dir ausgesucht, Rechtshänder zu sein?«
Will unterbrach sich. »Okay, tut mir leid. Ich steigere mich bei dem Thema gerne mal rein. Du bist wirklich ein netter Kerl, und ich weiß es zu schätzen, dass du vermutlich vollkommen wertfrei bist und gut damit klarkommst, dass ich schwul bin. Schätze, ich bin überempfindlich. Ich verstecke meine Vorlieben nicht, aber ich gehe auch nicht damit hausieren und posaune sie von den Dächern. Ich habe zum Beispiel noch nie ein Date zu einem Geschäftstermin mitgenommen. Ich bin diskret, obwohl es mich manchmal ärgert, dass ich es sein muss. Und ich bin wütend auf mich selbst, dass ich mich weiterhin bedeckt halte, mich cool gebe, meine Umwelt rätseln lasse.
Jetzt, da ich nicht mehr in dieser Ellenbogen-Arbeitswelt unterwegs bin, habe ich weniger zu verlieren. Trotzdem muss ich vorsichtig bleiben. Da draußen gibt es eine Menge Arschlöcher, die jederzeit bereit sind, mich zu Brei zu schlagen – einfach nur, weil ich existiere. Ich weiß nicht, ob du dir vorstellen kannst, wie sich das anfühlt. Wie es die Art und Weise prägt, wie du deine Umgebung wahrnimmst.«
Jack schaute ihn mit ernstem Gesichtsausdruck an. »Das klingt wirklich hart. Ich schätze, so habe ich noch nie darüber nachgedacht. Ich wünschte, die Dinge wären anders. Wenn es ein Trost ist: Ich empfinde nicht so. Ich glaube daran, dass Menschen frei sein sollten, sich so zu geben, wie sie in Wahrheit sind.«
Will nickte. Er wusste, dass er wahrscheinlich besser die Klappe halten sollte, aber nachdem die Schotten nun schon mal geöffnet waren, konnte er nicht aufhören. »Manchmal denke ich, dass wir alle in Wirklichkeit bisexuell sind, die einen mehr, die anderen weniger. Ich meine, schau dir die Mädchen an. Mädchen ist es erlaubt, miteinander zu kuscheln und sich zu küssen, Hand in Hand irgendwo entlangzuspazieren und sich gegenseitig ihre Zuneigung zu versichern.
Jungs dagegen werden streng davon abgehalten, sich so zu verhalten, aber wer sagt, dass der Impuls nicht trotzdem da ist? Ich glaube, jeder Mensch sucht Geborgenheit und Liebe, wo er sie finden kann, aber unsere Gesellschaft ermutigt nur das eine Geschlecht, das auch so auszudrücken. Außer auf sehr genau definierte, vorgeschriebene Art und Weise. Ich meine, denk doch mal darüber nach. Denk wirklich einmal
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