Herz ueber Bord
immer noch nicht richtig an die Zeitumstellung gewöhnt und mein Schlafrhythmus war total durcheinandergeraten: Zu den unmöglichsten Uhrzeiten war ich wach, wurde allerdings auch im ungünstigsten Moment müde. Meine erste Schicht im Amore würde erst morgen beginnen. Nun, wo nichts Dringendes anstand, konnte ich ein bisschen entspannen.
Ich schloss die Augen und träumte von wogenden Palmen, weiÃen Stränden und dem zärtlichen Kuss eines Typen, der das Gegenteil von Sven war. Einfühlsam und warmherzig, dabei aber auch selbstbewusst. Er war blond, hatte ein süÃes Grübchen im Kinn und war mit einem Lachen ausgestattet, das von seinen wasserblauen Augen ausging und sein ganzes Gesicht erfasste.
Aber so einen Traumtypen musste ich mir wahrscheinlich erst noch backen, seufzte ich innerlich. Dann war ich auch schon eingeschlafen.
Ich wachte auf, als es dunkel war und leises Gedudel an mein Ohr drang. Als ich nachsah, woher die Musik kam, entdeckte ich, dass die Stöpsel meines iPods verwaist auf der Decke lagen. Sie mussten mir im Schlaf aus den Ohren gefallen sein. Erschrocken fuhr ich hoch und stieà mit dem Fuà gegen die Wand. »Verflixt! Ich hab glatt verpennt!«, fluchte ich und rieb mir die angeschlagene Zehe.
Langsam sickerte in mein Bewusstsein, dass ich am frühen Abend auf meinem Bett eingenickt war und das Dinner und den Willkommensabend, auf den ich mich so gefreut hatte, verschlafen hatte. Am ersten Abend fand traditionell die BegrüÃung durch den Kapitän statt, bei der festliche Garderobe Pflicht war. AuÃerdem wurde den Gästen der wichtige Teil der Crew vorgestellt und eine kleine Welcome-Show geboten.
Meine Mutter hatte als Chefhostess die Aufgabe, diesen Abend anzumoderieren und sich um das Unterhaltungsprogramm zu kümmern. Bestimmt hatte sie das groÃartig gemacht â nur leider ohne mich.
Ich wandte mich nach rechts, um meinen Wecker, der auf dem Nachttisch stand, ins Blickfeld zu bekommen. Die grünen Zeiger standen auf vier Uhr früh. Ich ärgerte mich im Stillen, weil ich alles verpasst hatte, schälte mich aus dem Bett und trat noch etwas benommen hinaus auf den Balkon. Der Himmel war tintenblau und die Sterne funkelten um die Wette und rundeten das friedliche Bild ab. Bald würde die Sonne am Horizont erscheinen und alles in ein farbenprächtiges Orange tauchen.
Ergriffen stand ich da und genoss den Anblick des Meeres. Mein erster Tag auf der Harmony war ein Seetag. Ein festes Freizeitprogramm gab es nicht für mich. Vielleicht würde ich am Pool liegen oder zu Natou ins Fitnessstudio gehen. Wäre nicht schlecht, sie wiederzusehen. Aber zunächst musste ich meine Runner-Pflichten erfüllen und konnte hoffentlich satte Trinkgelder kassieren. Morgen würden wir dann die Turks- und Caicos-Inseln anpeilen.
Ich sah mich bereits am weiÃen Sandstrand entspannen, nachdem ich einen ausgiebigen Tauchausflug mit bunten Fischen und eine nette Bootsfahrt mit dem Zodiac der Harmony genossen hatte. Die schnittigen, schwarzen, unsinkbaren Schlauchboote waren mit einem kleinen AuÃenbordmotor versehen und konnten sogar in seichtem Gewässer fahren. Somit rückten die einsamsten Buchten, die sonst unerreichbar wären, in greifbare Nähe.
Ich ging zurück in die Kabine und schnurstracks ins Bad, um zu duschen. Obwohl es noch so früh war, konnte ich ein fach nicht mehr schlafen. Danach würde ich nachsehen, ob Inka mir auf meine Mail geantwortet hatte. In Hamburg war es zehn Uhr vormittags. Sicher war sie längst wach und wartete sehnsüchtig darauf, mit mir zu skypen.
Als ich, in ein flauschiges Handtuch gewickelt, meinen Maileingang kontrollierte, fand ich eine Nachricht von meinem Vater und eine von Inka vor. Sicher hatte sie wegen der Sache mit Sven nicht schlafen können, denn sie hatte mir noch in der Nacht geantwortet. Ich spürte, wie ich wütend darüber wurde, dass er ihr so zusetzte. Selbst jetzt noch, wo es vorbei war.
Hör auf damit, Katja!, ermahnte ich mich. Wut half Inka nicht weiter. Ich schaffte es natürlich nicht, meinen Ãrger endgültig zu unterdrücken, schnappte mir einen Apfel, der in einer Schale am Schreibtisch lag, biss hinein und las zuerst Papas Mail.
Er erkundigte sich danach, wie es zwischen Mum und mir liefe, und fragte, ob ich alles im Griff hätte. Ich schrieb einen kurzen Bericht an meinen Vater. Mums Gespräch mit Mr Unbekannt
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