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Herz ueber Bord

Herz ueber Bord

Titel: Herz ueber Bord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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nicht dabei sein kann, will ich wenigstens so viel wie möglich über alles wissen.«
    Wir redeten noch eine Weile über meine Erlebnisse in Miami und an Bord der Harmony und verabschiedeten uns schließlich voneinander.
    Â»Ich drück dich«, sagte ich zum Abschied, presste einen Kuss auf die kleine Webcam meines PCs und weg war meine Freundin.
    In einer meiner nächsten Mails musste ich Inka ihren Traumtypen unbedingt in allen Einzelheiten beschreiben. Ein Bild vor Augen war allemal besser als ein Loch im Herzen. Und wozu waren Freundinnen schließlich da? Um sich gegenseitig zu helfen, wenn’s eng wurde. Jedenfalls würde ich nicht eher ruhen, bis Inka wieder den sprichwörtlichen emotionalen Horizont sah.

Als ich gegen sieben die Crewmesse betrat, hatte sich mein Appetit ins Unermessliche gesteigert. »Good morning«, rief ich in die Runde und suchte mit hungrigen Augen das Büfett ab. Ich steuerte die bunt dekorierten Schalen und Teller mit allerlei Köstlichkeiten an und ließ mich vom Angebot der Früchte überwältigen: Mangos, Papayas, Granatäpfel, Sternfrüchte – einige Obstsorten waren mir sogar gänzlich unbekannt. Ich legte mir ein Stück Ananas und einige Scheiben Mango auf den Teller und peilte die Schüsseln mit den Flocken und Nüssen fürs Müsli an. Was das Frühstück anbelangte, ließ sich der erste Tag an Bord der MSC Harmony nicht schlecht an.
    Nachdem ich mir genug für den ersten Hunger genommen hatte, ging ich zu Mum, die allein vor einer Tasse Kaffee am Tisch saß. Nach ihrem Gesichtsausdruck zu schließen, war ihre Laune bescheiden.
    Â»Alles okay?«, nuschelte sie vor sich hin, während ich meinen Teller und die Schüssel auf den Tisch stellte und mich neben sie setzte.
    Â»Wenn man davon absieht, dass ich den Welcome-Abend verpennt hab … ja.«
    Mum nippte an ihrem Kaffee, erwiderte aber nichts darauf.
    Ich stach mit der Gabel in ein Stück Mango und schob es mir in den Mund. »Ist deine Laune auf dem Gefrierpunkt, weil ich gestern nicht da war?«, brachte ich kauend heraus. »Oder hast du die Anmoderation versaut?«
    Â»I wo! Hab nur schlecht geschlafen«, murmelte Mum, ihre Hände weiter krampfhaft um die Kaffeetasse geschlossen.
    Ich aß eine Weile still vor mich hin, um das hohle Gefühl in meinem Magen loszuwerden. Um so mies drauf zu sein, wie Mum es war, musste etwas gehörig schiefgegangen sein. Hatte ihre Laune vielleicht etwas mit dem Mann zu tun, den sie gestern unerwartet getroffen hatte? Gehörte er sogar zur Crew oder zu den Passagieren und war mit uns an Bord? Wenn ja, war es durchaus möglich, dass sie ihm erneut über den Weg gelaufen war und er sie weiter mit Fragen gelöchert hatte.
    Ich fand, meine Theorie klang nachvollziehbar, und sah mich sicherheitshalber verstohlen um. Konnte doch sein, dass jemand sich aufgrund seines Verhaltens verdächtig machte. Und sofort fiel mir auf, dass der Kapitän, der meiner Mutter gegenübersaß – ich erkannte ihn an seinen vier Streifen auf der Uniform –, sie fest im Blick hatte.
    Das hieß natürlich noch nichts. Merkwürdig war eher, dass Mum ihn keines Blickes würdigte. Und außerdem: Was hatte der Käpt’n eigentlich in der Crewmesse zu suchen? Meinem Wissen nach gehörte er in die Offiziersmesse. Na ja, vielleicht war das ein internes Begrüßungsritual. So nach dem Motto: Am ersten Tag schaut der Chef persönlich vorbei.
    In diesem Moment fing der Käpt’n meinen Blick auf und räusperte sich. »Ich nehme an, Sie sind Miss Asmussen?«, begann er förmlich, wurde dann aber lockerer. »Jetzt, wo Sie Ihren ersten Hunger bezwungen haben, möchte ich mich vorstellen. Stefan Troller. Ihr Kapitän.«
    Die Stimme des ersten Mannes an Bord traf mich wie ein Schlag. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr: Er war der Fremde, der sich bei Mum nach mir erkundigt hatte. In mir stieg eine Gänsehaut auf. Der Mann im grünen Hemd hatte plötzlich einen Namen und ein Gesicht.
    Ich zwang mich, ihm die Hand zu geben, und als ich mich wieder setzte, war mir der Appetit vergangen. Mum bemühte sich weiterhin, an Stefan Troller vorbeizuschauen. Wenn es ihr nicht gelang, warf sie ihm Blicke zu, die an eine Tiefkühltruhe denken ließen. Je länger dieses Spiel andauerte, umso weniger wohl fühlte ich mich in meiner Haut. Also trank ich den Rest meines

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