Herzblut 02 - Stärker als der Tod
Kind, den ersten echten Vampir für eine übermächtige Armee, die er aufbauen wollte. Nein, nicht aufbauen – züchten.
Das war das fehlende Puzzlestück. Er teilte das Blut der Nachfahren nicht mit anderen Vampiren, und sein Ziel waren nicht die magischen Fähigkeiten. Sie waren nur ein Mittel zum Zweck. Erwollte die Magie des Clanns gegen die Nachfahren einsetzen und alle Frauen zwingen, seine Kinder auszutragen. Kinder, die Mischlinge wären wie ich, aber ihm in alle Ewigkeit gehorchen sollten. Und sie sollten sich vermehren und immer weitere Mischlinge für seine Armee produzieren, bis er die Welt beherrschte. „Oh mein Gott“, flüsterte ich. Mein Dad und meine Mom hatten ihn auf die Idee gebracht. Eigentlich hatte er geplant, dass ich mich in ihn verliebte und seine erste Brutmaschine würde, aber weil ich noch Tristan nachtrauerte und gegen seinen Charme immun war, hatte er sich eine andere ausgesucht. Eine junge Nachfahrin, die sich von seinen Schmeicheleien hatte einwickeln lassen. Und die ihm das erste Clann-Blut gab, durch das er andere Nachfahren angreifen und ihnen ihr Blut stehlen konnte.
Und Emily hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt.
Gowin brummte überrascht: „Also stimmt es. Du kannst wirklich bei jedem Gedanken lesen. Wenn das so ist …“
Schließ dich mir an oder stirb , beendete er den Satz stumm.
Verdammt. Er konnte auch meine Gedanken lesen.
„Das ist doch wohl nicht dein Ernst“, zischte ich. Er packte mich fester an der Kehle. Ich konnte kaum noch atmen. „Hältst du dich für Darth Vader oder was?“
„Tja, Caravass, ich habe es versucht“, wandte sich Gowin an seinen Schöpfer. „Aber sie hat sich endgültig für den Clann entschieden. Sie stellt sich gegen die Vampire.“
„Nicht gegen alle Vampire. Nur gegen dich, Gowin“, ächzte ich. „Warum sagst du nicht allen die Wahrheit? Dann werden wir ja sehen, wer wo steht.“
Die Antwort las ich in seinen Gedanken. Er hatte schon versucht, Caravass von seinem Plan zu überzeugen, aber der Anführer der Vampire wollte seine Art nicht verwässern. Deshalb plante Gowin, seinen Schöpfer heute Nacht zu töten und die Macht im Rat an sich zu reißen.
„Lass sie los, Gowin!“, brüllte Tristan.
Gowin wandte sich mit mir zu Tristan um, der auf der kleinen Anhöhe vor dem Thron stand und die Hände gehoben hatte.
„Pass auf, oder sie stirbt!“ Gowins Finger krümmten sich zuKlauen, als wollte er mir die Kehle herausreißen.
Tristan ließ die Hände sinken. Er hatte Angst, und gleichzeitig war er wahnsinnig wütend.
Mir ging es genauso. Ich hätte Gowin den Kopf abreißen können. Wenn ich mich doch nur befreien könnte …
„Gowin, diesen Kampf kannst du nicht gewinnen“, rief mein Dad.
„Michael, du bist ein Idiot.“ Gowin drehte sich so, dass er Tristan und Dad im Blick behalten konnte. „Das warst du schon immer. Heute werden diese dummen, arroganten Nachfahren für jeden Vampir bezahlen, den sie getötet haben. Wirst du auf der Seite der Sieger stehen?“
„Hier gibt es keine Seiten“, widersprach Dad. „Nur Nachfahren und Vampire, die jetzt die Wahrheit hören wollen.“
Moment mal. Nanna hatte gesagt, ich müsse mich nur auf etwas konzentrieren und meinen ganzen Willen darauf richten.
Meine Willenskraft war heute am Anschlag. Und von Gowin hatte ich etwas Neues über Magie und Vampire gelernt.
Ich schloss die Augen und stellte mir vor, ich wäre eine lebende Fackel. Flammen würden mich von Kopf bis Fuß umhüllen, ohne mich zu berühren. Genau der Zauber, den Gowin in den gestohlenen Büchern gelesen hatte und mit dem er Caravass töten wollte.
Tristan
Als das Feuer Savannah umhüllte, schrie ich auf. Ich dachte, jemand hätte sie mit einem Zauber getroffen. Dann sah ich durch die Flammen, wie sie lächelte.
Gut gemacht! dachte ich. Als Gowin sie sofort losließ, lächelte ich stolz.
„Sie benutzt Magie!“, schrie Gowin. „Welchen Beweis braucht der Rat noch? Sie kämpft für den Clann!“
Offenbar glaubte der Vampirrat ihm, denn plötzlich brach Chaos aus. Schreie erfüllten die Lichtung, als sich Mr Colbert auf Gowinstürzte und Gowins Vampire und der Rat den Clann von zwei Seiten angriffen.
Ich rannte über das Schlachtfeld und wich den Zaubern aus, die kreuz und quer flogen, bis ich Sav erreichte. Sie hockte auf dem Boden; die Flammen waren schon erloschen.
„Ist bei dir alles in Ordnung?“, rief ich, um das Schreien und Brüllen der wütenden Vampire und Nachfahren zu
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