Herzblut 02 - Stärker als der Tod
Windstoß, begleitet von erschrockenen Schreien der Nachfahren, fegte über die Lichtung. Savannahs Vater war aus dem Wald gestürmt und kniete neben seiner Tochter und seiner früheren Schwiegermutter auf dem feuchten Boden.
Um uns herum wurden, wie eine stumme Warnung, Hände gehoben. Ich suchte nach einem Zauber, um Angriffe abzuwehren, aber Savannah war schneller.
Sie streckte die Arme aus. „Nein! Wartet, er ist mein Vater. Er will nur helfen.“
Sie und ihr Vater knieten zu beiden Seiten von Mrs Evans und musterten die angespannten Nachfahren aus grauen Augen.
„Lasst ihn“, sagte Dad. Daraufhin ließen alle die Hände sinken.
Savannah blickte auf ihre Großmutter hinunter. „Nanna, geht es dir gut?“
Zittrig hob Mrs Evans eine knorrige Hand, die Savannah festhielt. In diesem Moment öffnete der Himmel seine Schleusen. Strömender Regen ergoss sich über den ganzen Zirkel.
Savannah
Nannas Puls raste und holperte unter ihrer pergamentartigen Haut am Handgelenk. Trotz ihres Alters war sie immer die Stärkste in unserer Familie gewesen. Wann war sie so zerbrechlich geworden?
Ich beugte mich über sie, um sie vor dem Regen zu schützen, der wie eine Strafe der Wolken auf uns niederprasselte. Trotzdem waren wir innerhalb von Sekunden beide durchnässt.
Dad legte kurz den Kopf auf ihre Brust. Dann richtete er sich auf und beugte sich zu mir herüber.
„Ihr Herz ist geschädigt“, raunte er mir ins Ohr. Der Wind versuchte die Worte fortzureißen, bevor sie mich erreichten.
„Ich habe mich zu sehr gewehrt“, flüsterte Nanna so matt, dass ich mich trotz meines Vampirgehörs dicht über ihren Mund beugen musste. „Ich war eine dumme alte Frau. Ich hätte nicht gegen sie ankämpfen dürfen.“
„Jetzt wird alles gut. Dad und ich bringen dich nach Hause.“ Ich wischte ihr den Regen von den Wangen.
Aber Nanna schüttelte den Kopf. „Zu … müde.“ Ihr Griff lockerte sich.
„Jemand muss ihr helfen“, schrie ich den entsetzten Gestalten um uns herum zu. Waren sie so kalt und gefühllos, dass sie eine unschuldige alte Frau einfach so sterben ließen? Sie hatte doch mal zu ihnen gehört!
Der Wind wurde stürmischer und wehte den Nachfahren fast die Schirme aus den Händen. Stolpernd suchten sie zwischen den Bäumen Schutz.
Sie würden nicht helfen.
Dann trat ein Mann in den strömenden Regen. Als er näher kam, erkannte ich Dr. Faulkner, Vater der Zickenzwillinge und Chirurg im örtlichen Krankenhaus.
„Ich bin Arzt. Ich kann helfen.“ Dad machte ihm Platz, und Dr. Faulkner kniete neben Nanna nieder, ohne darauf zu achten, dass seine Hose auf dem Moos nass und schmutzig wurde. Er drückte zwei Finger gegen Nannas Hals und blickte auf seine Uhr.
Der Puls unter seinen Fingerspitzen stoppte.
„Nanna?“ Meine Schreie übertönten den grollenden Donner. Immer wieder schlug ich sanft auf ihren Handrücken. „Nanna!“
Die Zeit blieb fast stehen, und der brüllende Wind schluckte alle anderen Geräusche. Er entriss die Szene der Realität, als würde ich einen Film sehen, statt das hier selbst zu erleben. Mit beiden Händen an Nannas Brustkorb, versetzte Dr. Faulkner ihr einen Energiestoß, dass ihr lebloser Körper zuckte. Tristans Dad sprang von seinem Thron auf, lief wie in Zeitlupe zu uns und versuchte Dr. Faulkner zu helfen. Bei jedem Energiestoß der beiden hob sich Nannas Oberkörper vom Boden und landete mit einem leisen Klatschen auf dem nassen Moos. Ich überlegte fieberhaft, was ich tun konnte, aber der Clann hatte meiner Familie verboten, mir das Zaubern beizubringen. Und weil ich noch keine echte Vampirin war, konnte ich auch nicht Nanna in eine Unsterbliche verwandeln. Nachdem sich der Vampirrat und der Clann solche Sorgen gemacht hatten, was aus mir werden könnte, stand es am Ende nicht mal in meiner Macht, meine Großmutter zu retten. Alles, was ich offensichtlich konnte, war, Zerstörung und die Bedrohung eines neuen Krieges zwischen den Arten auszulösen.
Und dumme Entscheidungen zu treffen, die dazu führten, dass meine Großmutter im Wald lag und um ihr Leben rang, während ein Sturm toste.
Mr Coleman und Dr. Faulkner arbeiteten im Team. Abwechselnd versetzten sie ihr Stromstöße, fühlten nach ihrem Puls und beatmeten sie. Mir ging jegliches Zeitgefühl verloren. Minuten kamen mir vor wie Stunden, während die Männer um sie kämpften, Kleidung und Haare so nass, dass der Regen in kleinen Bächen ihre Arme hinabrann.
Nanna kam nicht wieder zu
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